Leitsatz
Der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr wird erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fällig. Erst ab diesem Zeitpunkt beginnt der Lauf der Verjährungsfrist (Aufgabe der bisherigen Rspr.).
KG, Beschl. v. 15.4.2015 – 1 ARs 22/14
1 Sachverhalt
Der Senat hatte den Angeklagten am 16.10.2009 verurteilt. Mit der Verwerfung seiner Revision durch Beschluss des BGH ist das Urteil rechtskräftig geworden. Der Pflichtverteidiger beantragte am 19.9.2014 eine Pauschgebühr in "angemessener Höhe". Diese setzte der Senat auf 28.000,00 EUR fest.
2 Aus den Gründen
1. Der Senat entscheidet gem. den §§ 51 Abs. 2 S. 4, 42 Abs. 3 S. 2 RVG in der Besetzung mit drei Richtern.
2. Die vom Bezirksrevisor unter Berufung auf die bisherige Rspr. des KG hinsichtlich der Pauschgebühr für das vorbereitende Verfahren und den ersten Rechtszug erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.
Die Verjährungsfrist beträgt in entsprechender Anwendung des § 195 BGB drei Jahre. Sie beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Das ist grundsätzlich der Zeitpunkt, in dem die Forderung fällig geworden ist (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl., Rn 2 zu § 199).
Wann der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr (§ 51 RVG) entsteht, wenn der Pflichtverteidiger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens tätig war, ist in der Rspr. der Oberlandesgerichte umstritten.
Nach den zum alten Recht der BRAGO ergangenen Entscheidungen des KG war dabei auf den ersten in § 16 S. 2 BRAGO (jetzt § 8 Abs. 1 S. 2 RVG) genannten Fälligkeitszeitpunkt abzustellen, also auf eine ergangene Kostenentscheidung oder auf die Beendigung des Rechtszuges (vgl. KG, Beschl. v. 3.8.2010 – 1 ARs 32/09 u. 18.1.2005 – 4 ARs 65/04; KG JurBüro 1999, 26; so auch OLG Braunschweig, Beschl. v. 17.1.2000 – ARs 55/99; OLG Hamburg, Beschl. v. 7.11.1990 – Xs 132/90). Zur Begründung wurde angeführt, die Pauschgebühr könne nicht anders behandelt werden als die gesetzliche Vergütung des Pflichtverteidigers, an dessen Stelle sie in besonders schwierigen und umfangreichen Verfahren trete. Danach wäre hier, wie der Bezirksrevisor folgerichtig dargelegt hat, nach dem erstinstanzlichen Urteil vom 16.9.2009 die dreijährige Verjährungsfrist am 1.1.2010 in Gang gesetzt worden und unter Berücksichtigung ihrer Hemmung (§ 8 Abs. 2 S. 1 und 2 RVG) mit der Entscheidung des BGH am 3.5.2014 bereits vor Eingang des Pauschantrages abgelaufen.
Nach der Gegenansicht wird der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fällig (vgl. OLG Düsseldorf AGS 2007, 75; OLG Köln, Beschl. v. 29.12.2005 – 2 ARs 229/05; OLG Jena AGS 1998, 87; OLG Hamm NStZ 1997, 41; OLG Bamberg JurBüro 1990, 1282). Dem schließt sich der Senat an, der beim KG seit 2007 für Entscheidungen über Anträge nach § 51 RVG ausschließlich zuständig ist. Er hält an der bisherigen Rspr. zum Verjährungsbeginn nicht mehr fest.
Eine Gebühr, die besondere Schwierigkeiten anwaltlicher Tätigkeit im gesamten Verfahren pauschal honorieren soll, kann erst nach dessen Abschluss und nicht schon mit Erlass des ersten Urteils oder Beendigung des Rechtszuges bemessen werden.
Die Ansicht, dass der Anspruch aus § 51 RVG hinsichtlich des Verjährungsbeginns wie der nach § 55 RVG behandelt werden müsse, übersieht, dass der Anspruch aus § 51 RVG im Zeitpunkt der Fälligkeit einzelner Gebühren noch nicht entstanden ist. Denn von der für das gesamte Verfahren bewilligten Pauschgebühr werden auch Leistungen erfasst, die der Rechtsanwalt erst nach den in § 8 Abs. 1 S. 2 RVG genannten Fälligkeitszeitpunkten erbracht hat, deren einzelne Vergütungen naturgemäß erst danach fällig werden können. Demzufolge sind bei der Prüfung, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Pflichtverteidiger eine Pauschgebühr zusteht, in einer gebotenen Gesamtschau (st. Rspr. des KG, vgl. Beschl. v. 31.3.2015 – 1 ARs 1/13) die Tätigkeiten des Antragstellers in allen Verfahrensabschnitten zu berücksichtigen, was trotz einer überobligatorischen Belastung in einem Verfahrensabschnitt wegen einer unterdurchschnittlichen Beanspruchung in anderen Verfahrensteilen zu einer Versagung der Pauschgebühr führen kann. Deshalb lässt sich entgegen der Ansicht des OLG Braunschweig (a.a.O.) keineswegs häufig schon mit Abschluss der ersten Instanz hinlänglich beurteilen, ob die Tätigkeit des bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts die Voraussetzungen des § 51 RVG erfüllt. Hinzu kommt, dass der Zeitpunkt des Verjährungsbeginns einer Forderung aus Gründen der Rechtssicherheit von vornherein feststehen muss und nicht von dem ungewissen Ergebnis einer (nachträglichen) Prüfung abhängen darf, ob bereits mit Beendigung des ersten Rechtszuges eine Pauschgebühr verdient war oder erst später infolge der weiteren Inanspruchnahme des Anwalts entstanden ist.
Dass § 51 Abs. 1 S. 3 RVG im Gegensatz zu § 99 BRAGO ausdrücklich die Gewährung einer Pauschgebühr auch für einzelne Verfahrensabschnitte vorsieht, ändert daran nichts. Denn auch in diesen Fä...