Leitsatz
- Der Gegenstandswert für die Gebühren des von einem Gläubiger mit der Vertretung im Insolvenzverfahren beauftragten Rechtsanwalts richtet sich nach dem Nennwert der Gläubigerforderung.
- Der Gegenstandswert des vom Schuldner beauftragten Rechtsanwalts richtet sich nach dem Wert der Insolvenzmasse, gleichgültig durch wen eine verfahrenseinleitende Maßnahme erfolgt ist (gegen OLG Dresden MDR 1994, 1253).
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 30.10.2014 – 5 W 46/14
1 Sachverhalt
Mit Schriftsatz vom 18.7.2013 beantragte der Antragsteller die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin. In der Anlage zu seinem Schriftsatz vom 15.10.2013 bezifferte er seine Forderungen gegen die Antragsgegnerin auf 1.222.933,95 EUR.
Durch Beschluss vom 25.10.2013 wies das AG den Insolvenzeröffnungsantrag zurück, legte die Verfahrenskosten dem Antragsteller auf und setzte den Geschäftswert nach § 58 GKG auf 1.222.933,90 EUR fest.
Mit Schriftsatz vom 20.11.2013 beantragte die Antragsgegnervertreterin, eine 1,0-Verfahrensgebühr Nr. 3313 VV aus 20 Mio. EUR = 61.496,00 EUR gem. § 28 Abs. 1 RVG festzusetzen. Sie verwies auf ein Gutachten aus dem Jahr 2012, nach dem der Verkehrswert für das Grundstück nebst Factory Outlet Center 20 Mio. EUR betrage, was den Wert der Insolvenzmasse darstelle. Die Antragstellervertreter bestritten den angegeben Wert von 20 Mio. EUR und wiesen darauf hin, dass Aussonderungs- und Absonderungsrechte von der Antragsgegnerseite nicht berücksichtigt worden seien.
Die Antragsgegnervertreterin beantragte mit Schriftsatz vom 29.1.2014 die Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG, gab den Wert der Insolvenzmasse (bereinigt um Absonderungsrechte) mit 13 Mio. EUR an und errechnete eine Gebühr von 40.496,00 EUR.
Durch Beschl. vom 7.3.2014 setzte das AG Saarbrücken den Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit auf 1.222.933,90 EUR fest. Dieser Beschluss wurde der Beschwerdeführerin zu 2) am 17.3.2014 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 27.3.2014 legte die Antragsgegnervertreterin im Auftrag der Schuldnerin "sofortige Beschwerde" ein und beantragte die Festsetzung des Gegenstandswertes ihrer anwaltlichen Tätigkeit auf 13 Mio. EUR, hilfsweise auf 2.598.240,00 EUR, weil der Antragsteller in seiner Antragsschrift auch auf eine Forderung der I. P. GmbH (vertr. durch den Antragsteller) i.H.v. 1.375.306,10 EUR abgestellt habe.
Das AG half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem LG vor.
Die Antragsgegnervertreterin wies darauf hin, dass zwischen ihr und der Antragsgegnerin eine Vergütungsvereinbarung existiere, nach der die Antragsgegnerin bereits 29.727,50 EUR für das Insolvenzeröffnungsverfahren an sie bezahlt habe. Außerdem sei die Beschwerde auch im Interesse der Beschwerdeführerin zu 2) eingelegt worden.
Das LG wies die Beschwerde zurück und ließ die weitere Beschwerde zu. Im gesamten Beschwerdeverfahren wurde dem Antragsteller kein rechtliches Gehör gewährt. Weder Schriftsätze noch die Beschwerdeentscheidung wurden dem Antragsteller übersandt.
Mit Schriftsatz vom 23.6.2014 legten beide Beschwerdeführer gegen den Beschluss des LG weitere Beschwerde ein. Das LG legte die Sache ohne Abhilfeentscheidung dem Saarländischen OLG vor.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit der Antragsgegnervertreterin ist gem. § 33 Abs. 6 RVG zulässig. Das LG hat die weitere Beschwerde ausdrücklich zugelassen. Die Beschwerde ist auch fristgerecht eingelegt worden (§ 33 Abs. 6 S. 4, Abs. 3 S. 3 RVG). Dies gilt auch für die Beschwerdeführerin zu 2), weil ihr Beschwerdeschriftsatz auslegungsbedürftig war (allgemein: Hartmann, KostG, 42. Aufl., § 32 RVG Rn 14).
Die Beschwer der Beschwerdeführerin zu 1) ist durch die vorgelegte Honorarvereinbarung nachgewiesen. Angesichts des Umfanges der anwaltlichen Tätigkeit im Eröffnungsverfahren und des vereinbarten Stundensatzes liegt es auf der Hand, dass die Beschwerdeführerin zu 1) ein eigenes Interesse an einer hohen Vergütungsforderung gegen den Antragsteller hat.
Der Senat kann selbst über die Beschwerde entscheiden, auch wenn das LG zu Unrecht keine Abhilfeentscheidung (§ 33 Abs. 6 S. 4, Abs. 4 S. 1 RVG) getroffen hat. Dies ist vorliegend sachgerecht, weil es nur um Rechtsfragen geht (allgemein dazu: OLG Stuttgart FGPrax 2012, 158; OLG München FGPrax 2013, 155).
Einer Entscheidung über die weitere Beschwerde steht auch nicht entgegen, dass das LG den Anspruch auf rechtliches Gehör des Antragstellers im Beschwerdeverfahren dadurch verletzt hat, dass es weder die Schriftsätze der Antragsgegnerseite noch seine Entscheidung dem Antragsteller übersandt hat. Die Wertfestsetzung im Verfahren nach § 33 RVG ist für das Kostenfestsetzungsverfahren verbindlich (BGH, Beschl. v. 27.3.2014 – IX ZB 52/13, ZinsO 2014, 911). Deshalb ist es erforderlich, allen Beteiligten, deren Rechte und Pflichten sich nach dem für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgebenden Gegenstandswert bestimmen, rechtliches Gehör zu gewähren. Dies ist auch der erstattungspflichtige Gegner (Römermann, in: Hartung/Röm...