Das OLG ebnet für den Praktiker all das, was im Zusammenhang mit der Bewertung von Versorgungsausgleichssachen von wesentlicher Bedeutung zu sein scheint und es lassen sich aus der Entscheidung inhaltlich überwiegend richtige Leitsätze ableiten, die § 50 FamGKG in seinen grundlegenden Voraussetzungen präzise abzuhandeln geeignet sind.
Nun hat sich das OLG aber einer vermeintlichen Billigkeit besonnen und kurzum sind die Anwaltsgebühren auch wieder zerronnen. Mit einem billigen Ergebnis und gesetzgeberisch ausdrücklich gewollter Angemessenheit korreliert die Entscheidung dann im Ergebnis nicht mehr. Hatte nicht der Gesetzgeber in seiner Begründung auf Folgendes hingewiesen:
"Die bislang vorgesehenen Festwerte tragen dem konkreten Aufwand der Gerichte und den Leistungen der Anwältinnen und Anwälte im Versorgungsausgleich nicht immer hinreichend Rechnung. Zudem spielen, häufiger als früher, neben Anrechten aus den Regelsicherungssystemen auch betriebliche und private Versorgungen eine Rolle. Die Anzahl der auszugleichenden Anrechte steigt."
Erstmals hat sich – soweit ersichtlich – ein OLG näher mit der nach § 50 Abs. 3 FamGKG möglichen Abweichung vom Regelwert befasst, meines Erachtens aber nicht so, wie es sachgerecht wäre. Von der Möglichkeit der Gerichte, gem. § 50 Abs. 3 FamGKG von dem nach § 50 Abs. 1 oder 2 FamGKG ermittelten Wert abzuweichen, ist nur dann Gebrauch zu machen, wenn der Wert hinsichtlich Umfang, Schwierigkeit oder Bedeutung der Sache in keinem vertretbaren Verhältnis steht. Für den vom OLG entschiedenen Fall wäre demnach zu fragen:
Ist es vertretbar, die Versorgungsausgleichssache mit 2.115,00 EUR zu bewerten, wenn
- nur Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen sind,
- alle Anwartschaften verhältnismäßig gering sind und
- hinsichtlich eines geringen Anrechts ein Ausgleich nicht stattgefunden hat?
Antwort: Ja. Ist es!
Und das war es auch nach der bis zum 31.8.2009 geltenden Gesetzeslage. Gem. § 99 Abs. 3 Nr. 3 KostO war z.B. ein Wert in Höhe von 2.000,00 EUR anzusetzen, wenn drei Anrechte dem Versorgungsausgleich unterlagen. Anrechte wurden dabei grundsätzlich unabhängig von ihrem Wert in die Bemessung der Versorgungsausgleichssache aufgenommen.
Gerade bei der vom Staat geförderten privaten Altersvorsorge werden die Anwartschaften jedenfalls eher nicht umfangreich angespart sein. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Förderung erst durch das Altersvermögensgesetz im Jahr 2002 eingeführt worden ist und zum anderen damit, dass die Beiträge regelmäßig auch gering sind. Die Argumentation des OLG müsste dazu führen, dass auch ein nur geringes, und deshalb nicht auszugleichendes, Anrecht der privaten Altersvorsorge eine "Billigkeitsanpassung" nach § 50 Abs. 3 FamGKG gebiete mit der Folge, dass die Werte in Versorgungsausgleichssachen noch geringer anzusetzen sein würden als es nach der bisherigen Gesetzeslage der Fall gewesen ist.
Billigkeit soll aber nur dann zum Tragen kommen, wenn das Ergebnis ansonsten unvertretbar ist.
Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn mit der Einreichung der Scheidungsantragsschrift bereits eine wirksame Vereinbarung über den Versorgungsausgleich (§§ 6 ff. VersAusglG) verfahrensgegenständlich ist oder die Ehezeit nur von kurzer Dauer gewesen ist (§ 3 VersAusglG, § 227 Abs. 3 FamFG). Nicht aber bei der vom OLG entschiedenen Sachlage.