Rechtsanwaltsgebühren in sozialrechtlichen Angelegenheiten auf dem Prüfstand

Gesprächsrunde beim Bundesjustizministerium soll Probleme erörtern

In den letzten Jahren wurde zunehmend deutlich, dass die Anwaltsgebühren für die Bearbeitung von sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, kaum noch auskömmlich sind. Zum einen hat das RVG kaum nachhaltige Verbesserung der Gebührensituation im Vergleich zu den Regelungen der BRAGO gebracht. Zum anderen konzentrieren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sich immer mehr auf Spezialgebiete. Dies gilt schon seit langem für das Sozialrecht. Die Zahl der als Fachanwälte für Sozialrecht zugelassenen Anwälte liegt inzwischen bei rund 1.200. Die im Sozialrecht spezialisierten Anwälte bearbeiten ausschließlich oder ganz überwiegend sozialrechtliche Mandate. Das bringt eine Spezialisierung, insbesondere ausgewiesen durch einen Fachanwaltstitel, zwangsläufig mit sich. Die Folge ist, dass eine unterwertige Vergütungsregelung (unterwertig in Bezug auf Umfang und Intensität der anwaltlichen Bearbeitung) nicht mehr durch lukrativere Mandate aus anderen Bereichen kompensiert werden kann. Wenn dieses Phänomen gerade bei einem Rechtsgebiet, das breite Kreise der Bevölkerung existenziell betrifft, festzustellen ist, wirkt sich das zwangsläufig negativ auf die Chancen für die betroffenen Menschen aus, ihre sozialrechtlichen Positionen nach dem wichtigen Grundsatz der "Waffengleichheit" gegenüber dem Staat und den Sozialversicherungsträgern wahrzunehmen.

In den Fachgremien des Deutschen Anwaltvereins, der Bundesrechtsanwaltskammer und auch bei der Konferenz der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern besteht weitgehend Übereinstimmung in der Einschätzung, dass allein die seit einigen Jahren geforderte lineare Anpassung der Anwaltsgebühren nicht ausreicht für den Bereich des Sozialrechts, der mit Betragsrahmengebühren vergütet wird. Die Vertreter der Anwaltschaft sind sich insoweit einig, dass für die sozialrechtlichen Angelegenheiten über eine überfällige allgemeine lineare Gebührenanpassung hinausgehende Verbesserungen im linearen Bereich und zusätzliche strukturelle Änderungen dringend notwendig sind.

Das Bundesministerium der Justiz, dem diese Sorgen der im Sozialrecht tätigen Anwälte seit geraumer Zeit bekannt sind, will sich solchen Überlegungen nicht verschließen. Deshalb hat das BMJ im Juni dieses Jahres zu dieser Thematik Kontakt mit den anwaltlichen Verbänden, der Richterschaft, den Landesjustizministerien, anderen Bundesministerien und mit Sozialversicherungsträgern aufgenommen. Das BMJ beabsichtigt, die Probleme im Rahmen eines Panels zu erörtern, bei dem die genannten Gruppen durch Vertreter repräsentiert werden. Dazu gibt es eine Einladung des BMJ an die Beteiligten zur Erörterung im Rahmen eines Panels ("Sozialrecht-Panel des BMJ"). Dort sind neben Vertretern des Bundesministeriums der Justiz, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der Landesjustizverwaltungen (NRW und Baden-Württemberg), der Richterschaft (Sozialgericht/Landessozialgericht) und der Sozialversicherungsträger (Deutsche Rentenversicherung Bund/Bundesagentur für Arbeit) auch jeweils zwei Vertreter der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltvereins eingeladen. Eine erste Gesprächsrunde ist für den Herbst 2010 vorgesehen.

Die vier Vertreter der Anwaltschaft haben sich bereits Anfang Juni zu einer Vorbesprechung in Dortmund zusammengefunden, um die Überlegungen von DAV und BRAK zu formulieren, abzugleichen und zu einem Diskussionspapier zusammenzufassen. Das BMJ hat nämlich in seiner Einladung vorgeschlagen, dass von der Anwaltsseite ein Papier vorbereitet wird, in dem die aus Anwaltssicht bestehenden strukturellen Mängel und der Erhöhungsbedarf konkret dargestellt werden. Das Papier ist derzeit in Arbeit und in Abstimmung zwischen den beiden Spitzenverbänden der Anwaltschaft. Neben Vorschlägen zur allgemeinen Verbesserung der Gebührensituation durch Anpassung der Rahmenbeträge wird das Papier auch eine Reihe von strukturellen Änderungsvorschlägen zum RVG enthalten, die in den letzten Jahren von den Gebührenrechtsgremien der BRAK und des DAV diskutiert wurden.

Nach der Einschätzung des BMJ werden evtl. Verbesserungen für die Gebührensituation in sozialrechtlichen Angelegenheiten vom Gesetzgeber allerdings nicht separat aufgegriffen werden. Dies wird allenfalls im Rahmen eines größeren Gesetzgebungsvorhabens zur Modernisierung des Kostenrechts möglich sein.

Ob und in welchem Umfang die von der Anwaltschaft artikulierten Vorschläge zur Gebührenverbesserung im Sozialrecht letztlich vom Gesetzgeber aufgegriffen und durchgesetzt werden können, muss abgewartet werden. Hier ist insbesondere mit ganz massivem Widerstand der Bundesländer zu rechnen. Die Bundesländer zeigen seit Jahren eine deutliche Ablehnung zu allen Forderungen aus der Anwaltschaft, die die Länder finanziell belasten könnten; sofern nicht gleichzeitig eine Gegenfinanzierung dieser Mehrkosten aufgezeigt ...

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