Dem Erinnerungsführer steht entgegen der Auffassung der Kostenbeamtin eine Verfahrensgebühr sowohl nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 6202 VV als auch nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 6202 VV zu.
Das außergerichtliche Disziplinarverfahren, das in Teil 6, Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 VV geregelt wird, beginnt mit dem Zeitpunkt der Einleitung einer disziplinarrechtlichen Untersuchung und dauert bis zum Beginn des gerichtlichen Verfahrens.
Der bevollmächtigte Rechtsanwalt erhält für seine Tätigkeit im Disziplinarverfahren bis zum Eingang des Antrags oder der Anschuldigungsschrift bei Gericht eine allgemeine Verfahrensgebühr nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 6202 VV. Der Bevollmächtigte wurde im behördlichen Disziplinarverfahren, das am 13.5.2008 eingeleitet wurde, ab dem 9.9.2008 für den Erinnerungsführer tätig, so dass ihm diese allgemeine Verfahrensgebühr zusteht.
Darüber hinaus hat der Bevollmächtigte den Erinnerungsführer in dem sich an die Erteilung des Verweises anschließenden Widerspruchsverfahren vertreten. Hierbei handelt es sich um ein dem gerichtlichen Disziplinarverfahren vorausgehendes und der Überprüfung der Verwaltungsentscheidung dienendes, weiteres außergerichtliches Verfahren, für die der Bevollmächtigte die gesonderte Verfahrensgebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 6202 VV erhält. Diese Verfahrensgebühr nach Anm. Abs. 1 entsteht gesondert, d. h., neben und zusätzlich zu der Verfahrensgebühr nach Anm. Abs. 2 (Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., Rn 1 zu 6202 VV; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., Rn 3, 7 zu Nr. 6202 VV; Gebauer/Schneider, RVG, 2. Aufl., Rn 7–9 zu Nr. 6202 VV).
Unberührt hiervon bleibt die Grundgebühr nach Nr. 6200 VV (Gebauer/Schneider, RVG, 2. Aufl., Rn 8 zu Nr. 6202 VV; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., Rn 7 zu Nr. 6202 VV).
Dem Erinnerungsführer stehen jedoch nur erstattungsfähige Aufwendungen in Höhe der Mittelgebühr zu.
Für die Tätigkeit im Disziplinarverfahren (Teil 6, Abschnitt 2 VV zum RVG) hat der Gesetzgeber Rahmengebühren vorgesehen. In diesem Fall bestimmt der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Gebühr nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers (§ 14 Abs. 1 S. 1 RVG). Dadurch, dass der Gesetzgeber die Bestimmung der Gebühr dem billigen Ermessen des Bevollmächtigten überlassen hat, hat er diesem einen gewissen Spielraum bei der Bestimmung der Gebührenhöhe innerhalb des vorgegebenen Rahmens eingeräumt. Diese Bestimmung ist lediglich dann nicht verbindlich für das Festsetzungsverfahren, wenn die Gebühr von einem Dritten – hier dem Land – zu ersetzen ist und die von dem Bevollmächtigten getroffene Bestimmung unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG).
Für durchschnittliche Fälle ist vom Mittelwert des jeweiligen Rahmens auszugehen. Ein Spielraum für die Erhebung einer höheren Gebühr besteht erst und nur, wenn besondere Umstände eine Erhöhung über den Mittelwert hinaus rechtfertigen (BVerwG, Urt. v. 17.8.2005 – 6 C 13/04).
Besondere Umstände, die hier eine Erhöhung über den Mittelwert hinaus rechtfertigen könnten, sind nicht vorgetragen; sie bestehen auch nicht nach Aktenlage.
Gegenstand des außergerichtlichen Verfahrens war ein Disziplinarverfahren, in dem gegen den Erinnerungsführer wegen eines einzelnen Vorwurfs ermittelt wurde; ein anhängig gemachtes Strafverfahren wurde nach Rücknahme des Strafantrags nach § 206a StPO eingestellt. Als Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens wurde gegenüber dem Erinnerungsführer ein Verweis ausgesprochen, demnach eine Disziplinarmaßnahme im untersten Bereich möglicher Sanktionen. Dieser Verweis war dann auch alleiniger Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, in dessen Verlauf zwei Zeugen vernommen wurden.
Allein aus dem Umstand, dass es sich um ein Disziplinarverfahren handelte, bei dem üblicherweise der Aktenbestand wegen der behördlichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen und der Einbeziehung der Personalakten umfangreicher ist, resultiert keine Berechtigung zur Überschreitung der Mittelgebühr. Die einschlägige Rahmengebühr betrifft ausschließlich Disziplinarverfahren und diesen ähnliche berufsgerichtliche Verfahren, sodass die Besonderheit von Verfahren dieser Art bei der Bemessung der Rahmengebühr durch den Gesetzgeber bereits berücksichtigt worden ist.
Der von dem Bevollmächtigten des Erinnerungsführers geltend gemachte überdurchschnittliche Arbeitsaufwand ist weder im außergerichtlichen noch im gerichtlichen Verfahren festzustellen. Der Umfang des Disziplinarverfahrens war auf einen Vorwurf beschränkt, der keine ungewöhnliche Komplexität aufwies. Schwierige Tatsachenfragen waren nicht aufzuklären. Es war lediglich festzustellen, ob der gegen den Erinnerungsführer erhobene Vorwurf berechtigt war oder nicht. Im behördlichen Disziplinarverfahren kam der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers erst hinzu, als das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen bereits vorlag. Seine Tätigkeit ...