Folglich kam es für die Höhe des Umsatzsteuersatzes darauf an, wann die Vergütung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten fällig geworden ist. Das FG Dessau-Roßlau hat darauf hingewiesen, dass für die Vertretung in den vorangegangenen gerichtlichen Verfahren auf die Regelung in § 8 Abs. 1 S. 2 RVG abzustellen sei. Folglich kam es darauf an, wann eine der in dieser Vorschrift aufgeführten drei Fälligkeitstatbestände erfüllt war. Dies hat das FG damit begründet, die abzurechnende Leistung des Rechtsanwalts, die in der Vertretung des Mandanten in dem Rechtsstreit bestanden habe, sei regelmäßig dann erbracht, wenn der Rechtsstreit in der jeweiligen Instanz in der Hauptsache beendet worden sei. Dieser Zeitpunkt bestimme dann, welcher Umsatzsteuersatz anzuwenden ist (s. OVG NRW NJW 2009, 933).
1. Die einzelnen Fälligkeitstatbestände
Ein Anwendungsfall dieser Vorschrift, wonach die Fälligkeit der Anwaltsvergütung dann eintritt, wenn das Verfahren länger als drei Monate ruht, lag hier ersichtlich nicht vor.
Nach dieser Vorschrift wird die Anwaltsvergütung auch fällig, wenn eine Kostenentscheidung ergangen ist. Das Dessau-Roßlau hat darauf hingewiesen, dass vorliegend die Beendigung des Rechtsstreits erst mit dem Ergehen der Kostenentscheidung eingetreten sei und nicht bereits vorher. Folglich seien die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 S. 2 erster und zweiter Fall RVG zeitgleich eingetreten.
Folglich kam es nach Auffassung des FG Dessau-Roßlau für die hier zu entscheidende Frage darauf an, wann der Rechtszug beendet war. Dies bestimme sich nach den jeweiligen verfahrensrechtlichen Vorschriften, mithin für das finanzgerichtliche Verfahren nach der FGO. Das FG hat darauf hingewiesen, dass bei der Rücknahme einer Klage der Rechtszug unabhängig von einer evtl. noch nachfolgenden gerichtlichen Kostenentscheidung mit der Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung beendet sei. Dies beruhe darauf, dass sich gem. § 136 Abs. 2 FGO die Kostenfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. Ein evtl. nachfolgender gerichtlicher Beschluss, nach dem der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen habe, habe deshalb nur deklaratorische Bedeutung.
Anders ist nach den weiteren Ausführungen des FG Dessau-Roßlau die Rechtslage, wenn – wie hier – der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erklärungen der Parteien beendet werde, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe. In einem solchen Falle findet das Klageverfahren mit der Abgabe der Erledigungserklärungen in der Hauptsache sein Ende. Die Erklärungen würden nämlich unmittelbar zur Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache führen. Ein gerichtlicher Ausspruch hierüber sei nicht erforderlich. Im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärungen entfalle die Rechtshängigkeit jedoch nur in Bezug auf den Rechtsstreit in der Hauptsache. Hinsichtlich des Kostenpunktes bleibe der Rechtsstreit jedoch weiter anhängig. Das Gericht habe nämlich über die Kostenfrage durch Beschluss zu entscheiden (s. BFH BFH/NV 2013, 1452). Für die Anwendung des § 8 Abs. 1 S. 2 2. Fall RVG hat dies nach Auffassung des FG Dessau-Roßlau zur Folge, dass der Rechtszug erst mit Ergehen der Kostenentscheidung vollständig beendet sei (N. Schneider, in: GK, 3. Aufl., § 8 RVG Rn 15).
2. Beendigung des Rechtszugs
In Anwendung dieser Grundsätze ist das FG Dessau-Roßlau zu dem Schluss gelangt, dass vorliegend die Beendigung des Rechtszugs i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 2 1. Fall RVG erst im Juli 2020 eingetreten war, also zu einem Zeitpunkt, als der Umsatzsteuersatz von 19 % auf 16 % herabgesetzt worden ist. Hingegen sei der Rechtszug noch nicht zu dem Zeitpunkt beendet worden, als am 26.6.2020 die letzte Erledigungserklärung der Beklagten beim Gericht eingegangen war.
Nach den weiteren Ausführungen des FG genügt es allerdings nicht, dass das Prozessgericht die Kostenentscheidung "gefasst" hat, also einen unterschriebenen Beschluss zur Geschäftsstelle gegeben hat. Allerdings lag hier bereits die Abfassung des Kostenbeschlusses am 3.7.2020 in dem für die Herabsetzung des Umsatzsteuersatzes maßgeblichen Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.2020. Das FG hat darauf hingewiesen, dass die Kostenentscheidung nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 S. 2 1. Fall RVG "ergangen" sein muss. Dies erfordere, dass die Kostenentscheidung gegenüber den Parteien des Rechtsstreits bekannt gemacht werden muss. Somit sei Voraussetzung für das Ergehen der Kostenentscheidung, dass diese den Parteien bzw. ihren Prozessbevollmächtigten zugestellt oder sonst formlos bekannt gegeben worden sei. Folglich sei die Kostenentscheidung erst dann i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG ergangen, wenn sie nach der maßgeblichen Verfahrensordnung wirksam geworden sei (Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl., 2021, § 8 RVG Rn 19 "Wirksamkeit"; OLG Düsseldorf OLGR Düsseldorf 1999, 298).
Vorliegend hatte die Geschäftsstelle des FG die Kostenentscheidung vom 3.7.2020 ausweislich des Akteninhalts am 6.7.2020 versandt, sodass di...