Denn das AG ist der Ansicht, dass auch wenn man von der Befugnis der Behörde, erneut über die Frage der Auslagenerstattung zu entscheiden, ausgehe, sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als begründet erweise. Die notwendigen Auslagen der Betroffenen seien zu erstatten.
§ 105 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467a Abs. 1 StPO regeln sinngemäß, dass die dem Betroffenen erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse nach Einstellung aufzuerlegen seien, wobei § 467 Abs. 2 bis 5 StPO ebenfalls sinngemäß gelte (Grommes, in: BeckOK OWiG, Graf, 38. Ed., Stand: 1.4.2023, Rn 8 ff.). Daraus ergebe sich die grundlegende Entscheidung des Gesetzgebers, dass regelmäßig bei Rücknahme des Bußgeldbescheides und Einstellung des Verfahrens die Staatskasse auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen habe. Die hier einzig in Betracht kommende Ausnahme hiervon regele § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO, wonach von der Auslagenerstattung abgesehen werden könne, wenn es nur deshalb nicht zu einer Verurteilung kommt, weil ein Verfahrenshindernis bestehe. Diese Ausnahmevoraussetzung hat das AG verneint.
Zum Zeitpunkt der Rücknahme des Bußgeldbescheides habe zwar Verfolgungsverjährung vorgelegen (§ 31 OWiG). Allerdings habe es an der weiteren Voraussetzung gefehlt, dass es nur wegen des Verfahrenshindernisses nicht zu einer Verurteilung gekommen sei. Hierbei sei nämlich stets dem Ausnahmecharakter der Bestimmung Rechnung zu tragen. Bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses müsse deshalb mit Sicherheit von einer Verurteilung auszugehen sein. Sei diese zweifelhaft, seien auch die notwendigen Auslagen des Beschuldigten bzw. Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen (Gieg, in: KK-StPO, 9. Aufl., 2023, § 467 Rn 10 f. m.w.N.).
Von einer sicheren Verurteilung könne aber bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil eine Identifizierung der Betroffenen als Fahrerin durch den Tatrichter nicht stattgefunden habe. Zwar lege ein Abgleich der Messbilder mit den in der Akte befindlichen Lichtbildern der Betroffenen nahe, dass diese das Fahrzeug zur Tatzeit geführt habe. Die Fahrereigenschaft sei allerdings nicht eingeräumt worden und es könne nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass nicht ein ähnlich aussehender Familienangehöriger das Fahrzeug gesteuert habe. Jedenfalls wäre das Gericht im Rahmen einer Hauptverhandlung gehalten gewesen, einem solchen – möglichen – Einwand nachzugehen.
Darüber hinaus könne auch nicht mit hinreichender Sicherheit von dem vorgeworfenen Höchstgeschwindigkeitsverstoß ausgegangen werden. Das AG habe die Verwaltungsbehörde dazu verpflichtet, dem Verteidiger verschiedene Beweismittel zur Verfügung zu stellen und darüber hinaus sei in diesem Beschluss ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass weitere Fragen des Verteidigers im Rahmen einer Hauptverhandlung durch Zeugenvernehmung geklärt werden können. Auch wenn bislang nach Aktenlage von einer ordnungsgemäßen Messung auszugehen sei, sei es, wie sich gelegentlich zeige, gerade nicht auszuschließen, dass sich dies u.a. durch Vernehmung des Messbeamten in der Hauptverhandlung ausnahmsweise anders darstelle. I.Ü. wäre es – so das AG – inkonsequent, wenn nun von einer zu erwartenden sicheren Verurteilung ausgegangen würde, wenngleich dem Antrag des Verteidigers auf Überlassung von Beweismitteln teilweise stattgegeben und darüber hinaus ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass weitere, vom Verteidiger aufgeworfene Fragen, in der Hauptverhandlung zu klären seien.