1. Gesetzliche Regelung

Gem. § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG beträgt der Verfahrenswert in einer Kindschaftssache, die die Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge betrifft, 4.000,00 EUR. Ist dieser Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht gem. § 45 Abs. 3 FamGKG einen höheren, aber auch einen niedrigeren Wert festsetzen.

2. Festsetzung des Regelwertes

Nach Auffassung des OLG Karlsruhe betrifft ein Verfahren nach § 1628 BGB, in dem es um eine gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern in Angelegenheiten der elterlichen Sorge geht, ein Verfahren, das einen Teil der elterlichen Sorge betrifft (so auch OLG Brandenburg JurBüro 2015, 251).

3. Keine Abweichung vom Regelwert

a) Grundsätze

Die Voraussetzungen für eine Abweichung vom Regelwert, die gem. § 45 Abs. 3 FamGKG eine niedrigere Wertfestsetzung ermöglichen würden, lagen hier nach Auffassung des OLG Karlsruhe nicht vor. § 45 Abs. 3 FamGKG enthalte eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Billigkeitsklausel, die angesichts des gesetzlichen Regelwertes einen Ausnahmecharakter habe (so OLG Frankfurt JurBüro 2020, 530). Dies habe zur Folge, dass nicht jede Abweichung vom Durchschnittsfall, sondern erst eine Abweichung von erheblichem Gewicht eine Unbilligkeit begründe (OLG Brandenburg AGS 2020, 581).

b) Die Umstände im Einzelfall

Nach den weiteren Ausführungen des OLG Karlsruhe kommt eine Absenkung des Verfahrenswertes auf einen Betrag unterhalb des Regelverfahrenswertes nur bei Vorliegen von im Einzelfall besonderen, ins Auge fallenden Gründen in Betracht (OLG Celle AGS 2012, 244).

Für die Beurteilung des Umfangs und der Schwierigkeit der Sache als Bewertungskriterium komme es jedoch nicht – wie die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hier geltend gemacht habe, – auf den Aufwand der beteiligten Rechtsanwälte, sondern allein auf den gerichtlichen Aufwand an (OLG Brandenburg, a.a.O.).

Deshalb könne ein niedrigerer Wert als der Regelverfahrenswert insbesondere dann festgesetzt werden, wenn die Regelung eine recht kurze Laufzeit habe. Dies könne der Fall sein, wenn das Kind bald volljährig wird oder ein Umgangsverfahren nur den Umgang an einem bestimmten Feiertag betrifft. Als weiteres Beispiel der Verminderung des Wertes führt das OLG Karlsruhe den Fall an, in dem Sorgerechtsanträge nach Antragstellung zurückgenommen werden und aufgrund der Rücknahme oder aus sonstigen Gründen keine weiteren Verfahrenshandlungen, insbesondere keine Anhörung der Beteiligten, erfolgt sind (OLG Karlsruhe OLGR Karlsruhe 1999, 72).

In Anwendung dieser Maßstäbe ist nach Auffassung des OLG Karlsruhe die Festsetzung des Verfahrenswertes auf den Regelwert von 4.000,00 EUR nicht unbillig. Es haben hier nach Auffassung des OLG keine Umstände vorgelegen, die es gerechtfertigt hätten, den Verfahrenswert auf die Hälfte des Regelwertes herabzusetzen. Dies hat das OLG Karlsruhe damit begründet, bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern gem. § 1628 BGB, die hinsichtlich des Verfahrenswertes von der Regelung des § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG erfasst werden, könne nicht maßgeblich auf ein Sorgerechtsverfahren nach § 1671 BGB oder § 1666 BGB als Vergleichsmaßstab abgestellt werden. Ansonsten müsste nämlich bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern in einzelnen Angelegenheiten statt des Regelverfahrenswertes stets ein niedrigerer Verfahrenswert angesetzt werden.

Das vorangegangene Verfahren war nach den weiteren Ausführungen des OLG Karlsruhe rechtlich nicht besonders schwierig, nachdem der BGH (FamRZ 2017, 1057 = NJW 2017, 2826) die Grundsätze für die Übertragung der Entscheidungsbefugnis für die Durchführung einer Schutzimpfung auf einen Elternteil herausgearbeitet hat. Jedoch muss nach den weiteren Ausführungen des OLG Karlsruhe berücksichtigt werden, dass das Verfahren sowohl eine Anhörung der Kinder als auch der Eltern und einer Vertreterin des Jugendamtes erforderte. Auch hierbei habe sich kein Einvernehmen der Eltern erzielen lassen, sodass das FamG eine Entscheidung habe treffen müssen. Nach Auffassung des OLG Karlsruhe lagen hier auch keine besonderen ins Auge fallenden Gründe für eine Herabsetzung des Regelverfahrenswertes vor.

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