I.Ü. sei die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet. Der angegriffene Beschl. des AG v. 3.4.2023 verletzt die Betroffene in ihrem Grundrecht aus Art. 18 Abs. 1 SächsVerf in seiner Ausprägung als Willkürverbot.
1. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde
Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Insbesondere habe die Betroffene den Rechtsweg i.S.d. § 27 Abs. 2 S. 1 SächsVerfGHG ordnungsgemäß erschöpft und die Einlegungsfrist (§ 29 Abs. 1 S. 1 SächsVerfGHG) gewahrt. Die von ihr erhobene Anhörungsrüge habe die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde offen halten können, weil sie nicht von vornherein aussichtslos gewesen sei (vgl. hierzu SächsVerfGH, Beschl. v. 30.8.2023 – Vf. 29-IV-23). Die Betroffene sei aus Gründen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gehalten gewesen, gegen die nicht anfechtbare (§ 47 Abs. 2 S. 3 OWiG, § 464 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG) Entscheidung des AG v. 3.4.2023 Anhörungsrüge zu erheben. Das AG habe sie zu der auf § 47 Abs. 2 OWiG gestützten Einstellung des Verfahrens und insbesondere zu der beabsichtigten, sie belastenden Auslagenentscheidung nicht angehört. Das Gericht könne in einem solchen Fall im Verfahren nach § 33a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG seine an sich unanfechtbare Entscheidung über die Kosten und Auslagen prüfen und ändern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.10.2015 – 2 BvR 2436/14; Beschl. v. 8.10.2001 – 2 BvR 1424/01; BeckOK OWiG/Bücherl, § 47 Rn 31).
Die Verfassungsbeschwerde sei auch nicht deshalb unzulässig, weil sie sich lediglich gegen eine Kostenentscheidung richte und nicht zugleich gegen die damit verbundene Entscheidung in der Hauptsache. Der geltend gemachte Verfassungsverstoß beziehe sich allein auf den Ausspruch über die Auslagen. In einem solchen Fall bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis für dessen verfassungsgerichtliche Überprüfung. Anderenfalls wäre der verfassungsgerichtliche Rechtsschutz lückenhaft, denn der Betroffene hätte keine Möglichkeit, sich gegen eine selbstständig in einer Kostenentscheidung enthaltene Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte zur Wehr zu setzen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.10.2015 – 2 BvR 2436/14; Beschl. v. 17.11.2009 – 1 BvR 1964/09; Beschl. v. 18.4.2006 – 1 BvR 2094/05).
2. Begründetheit der Verfassungsbeschwerde
Die Verfassungsbeschwerde sei begründet. Das AG habe mit der angegriffenen Auslagenentscheidung gegen Art. 18 Abs. 1 SächsVerf in der Ausprägung als Verbot objektiver Willkür verstoßen, weil es ohne jede Begründung von dem durch das Gesetz bestimmten Regelfall abgewichen sei. Der aus Art. 18 Abs. 1 SächsVerf gewonnene materiell-verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab verlange mit Rücksicht auf die Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Art. 36 SächsVerf) eine Begründung auch letztinstanzlicher Entscheidungen jedenfalls dann und insoweit, als von dem eindeutigen Wortlaut einer Rechtsnorm abgewichen werden soll und der Grund hierfür sich nicht schon eindeutig aus den Beteiligten bekannten und für sie ohne Weiteres erkennbaren Besonderheiten des Falles ergibt. In gleicher Weise sei eine Begründung erforderlich, wenn von einem in einer Norm bestimmten Regelfall abgewichen werde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.10.2015 – 2 BvR 2436/14).
a) Grund für Abweichen nicht erkennbar
Nach diesen Maßstäben verletze die Auslagenentscheidung des AG die Betroffene in ihrem Grundrecht aus Art. 18 Abs. 1 SächsVerf, denn es sei nicht erkennbar, weshalb das AG von einer Auslagenerstattung abgesehen habe, obwohl die Erstattung den gesetzlichen Regelfall darstelle. Gem. § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG habe die nach Einstellung eines Bußgeldverfahrens zu treffende Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Betroffenen grds. dahingehend auszufallen, dass diese zu Lasten der Staatskasse gehen. Zwar könne oder müsse hiervon in einigen gesetzlich geregelten Fällen abgesehen werden (§ 109a Abs. 2 OWiG, § 467 Abs. 2 bis 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG). Der Entscheidung des AG über die notwendigen Auslagen lasse sich jedoch nicht einmal im Ansatz entnehmen, aus welchem Grunde diese der Betroffenen auferlegt wurden. Weder gebe es Anhaltspunkte für eine Ermessensentscheidung nach § 109a Abs. 2 OWiG noch für eine schuldhafte Säumnis der Betroffenen (§ 467 Abs. 2 2 StPO) oder eine unwahre Selbstanzeige (§ 467 Abs. 3 1 StPO) bzw. wahrheitswidrige Selbstbelastung (§ 467 Abs. 3 2 Nr. 1 StPO). Da das AG das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG und nicht wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt habe, habe die Auslagenentscheidung auch nicht auf § 467 Abs. 3 2 Nr. 2 StPO gestützt werden dürfen.
b) Ermessensentscheidung
Nach § 467 Abs. 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG könne ein Gericht zwar davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es das Verfahren nach einer Vorschrift einstelle, die dies – wie § 47 Abs. 2 OWiG – nach seinem Ermessen zulasse. Dabei dürfe auf die Stärke des Tatverdachts abgestellt, aber ohne prozessordnungsgemäße Feststellung keine Schuldzuweisung vorgenommen werden (vg...