Der Entscheidung ist zu widersprechen.
1. Entscheidung durch den Einzelrichter zumindest unverständlich
Zu widersprechen ist schon der Auffassung des Einzelrichters, dass wegen der st. Rspr. des OLG Hamm eine Übertragung auf den und durch den Senat nicht erforderlich sei. Es ist ja schön, wenn das OLG die Frage offenbar schon häufiger entschieden hat. Nur: Die Beschlüsse sind alle unveröffentlicht, hängen also irgendwo beim OLG Hamm im "stillen Kämmerlein". Man fragt sich, warum man diese Entscheidungen in einer Frage, die ja nun die Rspr. schon seit langem immer wieder beschäftigt, nicht nach außen kundtut. Vielleicht waren die Beschlüsse ja überzeugend, jedenfalls hätten sie zur Diskussion beitragen können.
Zu einer Übertragung auf den Senat hätte m.E. auch vor allem deshalb Anlass bestanden, weil die Frage, ob der Terminsvertreter des Pflichtverteidigers nur die Terminsgebühr oder auch die Grund- und Verfahrensgebühr verdient, ja inzwischen von zahlreichen Gerichten anders gesehen wird als vom OLG Hamm (vgl. nur OLG Bamberg NStZ-RR 2011, 223 [Ls.]; OLG Brandenburg AGS 2024, 171; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.10.2008 – 1 Ws 318/08; OLG Jena JurBüro 2011, 478; AGS 2021, 394 = JurBüro 2021, 576; OLG Karlsruhe StraFo 2008, 349 = NJW 2008, 2935 = RVGreport 2009, 19 = StRR 2009, 119; OLG Karlsruhe AGS 2023, 164 = NStZ-RR 2023, 159; OLG Köln RVGreport 2010, 462 = AGS 2011, 286; OLG München NStZ-RR 2009, 32 = StRR 2009, 120 = RVGreport 2009, 227; OLG München RVGreport 2016, 145 = AGS 2014, 174 = Rpfleger 2014, 445; OLG Nürnberg RVGreport 2016, 105 = StraFo 2015, 39 = AGS 2015, 29). Insbesondere die gut begründete Entscheidung des OLG Karlsruhe (AGS 2023, 164 = NStZ-RR 2023, 159) hätte dem OLG Hamm Anlass sein sollen, sich noch einmal näher mit der streitigen Frage auseinanderzusetzen. Aber sie wird noch nicht einmal erwähnt. Das lässt – zumindest bei mir – den Eindruck entstehen, es hier mit einer Entscheidung zu tun zu haben, die in die Rubrik: "Das haben wir immer schon so gemacht." einzuordnen ist.
2. Vertretung des Pflichtverteidigers unzulässig
In der Sache ist dem OLG ebenfalls zu widersprechen. Die Entscheidung steht und fällt mit der Frage, ob die Ansicht des OLG stimmt, eine "Vertretung" i.e.S. des Pflichtverteidigers sei zulässig. Das ist m.E. nicht der Fall. Denn die Beiordnung des Pflichtverteidigers ist auf seine Person beschränkt; sie ist höchst persönlich (so auch Meyer-Goßner/Schmidt, StPO, 67. Aufl., 2024, § 142 Rn 15; Hillenbrand, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2022, Rn 3636 f., jeweils m.w.N.; BGHSt 59, 284 = NJW 2014, 3320 m. Anm. Barton, StRR 2015, 62; BGH NStZ 2012, 276; OLG Saarbrücken RVGreport 2015, 64 = StRR 2015, 117). Soweit einige Gerichte (OLG Celle RVGreport 2009, 226; OLG Koblenz JurBüro 2013, 84 = RVGreport 2013, 17 = AGS 2013, 460; LG Potsdam JurBüro 2011, 417 = AGS 2012, 65; LG Saarbrücken, Beschl. v. 30.6.2014 – 2 KLs 2/13) anderer Ansicht sind, ist das m.E. seit BGHSt 59, 284 nicht mehr haltbar.
3. Auch Grundgebühr und Verfahrensgebühr
I.Ü.: Zu der Frage, dass nicht nur die Terminsgebühr, sondern auch Grundgebühr und Verfahrensgebühr anfallen, ist schon viel geschrieben worden. Das muss man hier nicht wiederholen. Ich verweise dazu auf den o.a. Beschluss des OLG Karlsruhe und auf Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A Rn 2101 ff. In dem Zusammenhang liegt der Hinweis des OLG auf die (geringe) Dauer des Hauptverhandlungstermins an dieser Stelle neben der Sache.
Zu der Frage, warum die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV nicht entstanden sei, enthält der Beschluss des OLG kein Wort der Begründung. Sie dürfte hier aber entstanden sein, da sich aus dem Beschluss ergibt, dass die Pflichtverteidigerin auch telefoniert hat. Das reicht für das Entstehen der Nr. 7002 VV aus (Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 7002 VV Rn 1 m.w.N.).
4. Rechtsmittel gegen Bestellungsentscheidung
Für den Verteidiger lässt sich aus der Entscheidung ableiten, dass er in diesen Fällen sehr sorgfältig prüfen sollte/muss, welche Entscheidungen ergehen. Ggf. muss gegen einen Beschluss, der einen Antrag nicht voll ausschöpft – so wie hier, da Bestellung als "weiterer Pflichtverteidiger" beantragt war, – sofortige Beschwerde (§ 142 Abs. 7 StPO) eingelegt oder auf Klarstellung gedrängt werden, dass man nicht von einer Vertretung i.e.S. (vgl. auch § 5 RVG) ausgeht.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 8/2024, S. 359 - 361