1. Keine Anrechnung einer vereinbarten Vergütung
Die Entscheidung des OLG Hamburg ist zutreffend. Die Anrechnungsregelung in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV spricht nämlich davon, dass eine Geschäftsgebühr entsteht. Eine gesetzliche Regelung, die die – teilweise – Anrechnung einer vereinbarten Vergütung für die vorprozessuale Tätigkeit anordnet, existiert im RVG hingegen nicht. Damit scheidet schon im Innenverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Rechtsanwalt eine Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV aus (so auch KG – 2. ZS – RVGreport 2009, 101 [Hansens] = zfs 2009, 226 m. Anm. Hansens = AGS 2009, 213). Dies gilt auch dann, wenn die Honorarvereinbarung lediglich zum Inhalt hat, dass die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV unterbleibt (KG – 5. ZS – RVGreport 2010, 343 [Ders.]). Allerdings hatte der X. ZS des BGH in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung (RVGreport 2014, 352 [Ders.] = AGS 2014, 468) die Auffassung vertreten, eine Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr sei auch dann (teilweise) anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt des Erstattungsberechtigten für diesen auf der Grundlage einer Stundenhonorarvereinbarung tätig geworden ist. Dabei ging es allerdings um die Geschäftsgebühr für ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren.
Der III. ZS des BGH (AGS 2015, 147 = RVGreport 2015, 72 [Hansens] = zfs 2015, 105 m. Anm. Hansens) hatte die Auffassung vertreten, eine Anrechnung der vereinbarten Vergütung auf die Verfahrensgebühr scheide nur dann aus, wenn der Rechtsanwalt mit seinem Auftraggeber eine "zulässige", an anderer Stelle der Entscheidung eine "wirksame" Honorarvereinbarung geschlossen habe. Hierfür hatte der BGH keine Begründung angeführt. Wäre dies richtig, müsse der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren mit den dort eingeschränkten Mitteln prüfen, ob der Rechtsanwalt der erstattungsberechtigten Partei mit seinem Mandanten für die vorgerichtliche Vertretung eine wirksame Honorarvereinbarung geschlossen hat. Die Überprüfung der Honorarvereinbarung im Kostenfestsetzungsverfahren würde i.Ü. auch gegen die Grundsätze der prozessualen Kostenerstattung verstoßen. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist nämlich grds. nicht zu prüfen, ob die erstattungsberechtigte Partei ihrem Prozessbevollmächtigten die geltend gemachten Gebühren überhaupt schuldet (BGH AGS 2012, 544 = RVGreport 2012, 422 [Hansens] = zfs 2012, 644 m. Anm. Hansens; OLG München RVGreport 2008, 27 [Ders.] = JurBüro 2007, 596). Folglich ist auch im Kostenfestsetzungsverfahren dem Einwand der erstattungspflichtigen Partei, der erstattungsberechtigte Gegner habe mit seinem Prozessbevollmächtigten eine Vergütungsvereinbarung getroffen, die im Ergebnis zu niedrigeren als den gesetzlichen und beantragten Gebühren und Auslagen geführt hat, nicht nachzugehen (unrichtig OLG Köln RVGreport 2014, 120 [Hansens]). Außerdem ergibt sich kein anderes Ergebnis, wenn der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren aufgrund seiner dort vorgenommenen Prüfung zu dem Ergebnis kommt, die Vereinbarung der Vergütung für die vorprozessuale Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der erstattungsberechtigten Partei sei nicht wirksam. Form und Inhaltsmängel einer Vergütungsvereinbarung führen nämlich nicht dazu, dass diese unwirksam wird. Vielmehr hat der Rechtsanwalt gleichwohl einen Anspruch auf die vereinbare Vergütung, allerdings nur bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren (BGH RVGreport 2014, 340 [Hansens] = AGS 2014, 319). Somit hat der Rechtsanwalt auch bei einer unwirksamen Honorarvereinbarung keinen Anspruch auf die gesetzliche Vergütung, hier also auf die Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV, die nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV allein der (teilweisen) Anrechnung auf die Verfahrensgebühr unterliegt.
Insoweit hat sich hier das OLG Hamburg der einschränkenden Auffassung des III. Zivilsenats des BGH nicht angeschlossen und hat die Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung nicht geprüft. Der Inhalt dieser Vereinbarung hat dem OLG noch nicht einmal vorgelegen.
2. Geltendmachung einer Geschäftsgebühr als Verzugsschaden
Macht man – wie es hier der Prozessbevollmächtigte der Klägerin getan hat – im vorprozessualen Schreiben und auch in der Klageschrift als Verzugsschaden die Anwaltskosten in Höhe einer Geschäftsgebühr geltend, besagt dies nicht zwangsläufig, dass keine außergerichtliche Honorarvereinbarung getroffen worden ist. Die Klägerin hätte nämlich das mit ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorprozessuale Tätigkeit vereinbarte Honorar nicht zum Gegenstand ihrer außergerichtlichen und gerichtlichen Forderung machen können. Denn die Schädiger (hier die Beklagten) müssen dem Geschädigten (hier der Klägerin) nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Anwaltskosten ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Dies hat zur Folge, dass ein anwaltliches Zeithonorar nur bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren erstattungspflichtig ist (BGH AGS 2015, 97 = RVGreport 2...