ZPO §§ 91, 103; RVG § 15a; VV RVG Nrn. 2300, 3100, Vorbem. 3 Abs. 4 VV
Leitsatz
1. § 15a RVG kann gem. § 60 Abs. 1 RVG nur auf solche Fälle angewendet werden, in denen der unbedingte Auftrag an den Anwalt nach dem 5.8.2009 erteilt worden ist.
2. Der Erstattungspflichtige muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der Anwalt des Erstattungsberechtigten vorgerichtlich tätig war. Es ist dann Sache des Erstattungsberechtigten, den Ausnahmefall darzulegen und zu beweisen, dass dennoch keine Geschäftsgebühr angefallen ist.
OLG Hamm, Beschl. v. 22.6.2009 – II – 6 WF 154/09
1 Aus den Gründen
Zu Recht hat das AG mit dem angefochtenen Beschluss die dem Beschwerdeführer nach § 126 ZPO zustehenden erstattungsfähigen Kosten auf 1.217,01 EUR festgesetzt und hierbei die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr berücksichtigt.
Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers muss der Senat davon ausgehen, dass vorliegend außergerichtlich eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV entstanden ist, welche nach den Vorbem. 3 Abs. 4 VV mit 0,65 anzurechnen ist.
Dass eine solche Anrechnung auch im Kostenfestsetzungsverfahren zu erfolgen hat, wird auch von dem Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen. Zwar ist mittlerweile die Vorschrift des § 15a RVG in Kraft getreten, wonach durch die Anrechnungsvorschrift grundsätzlich beide Gebührenansprüche nicht berührt werden. Die Vorschrift des § 15a RVG ist jedoch nach § 60 Abs. 1 RVG auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Dem Beschwerdeführer ist nämlich der unbedingte Auftrag vor Inkrafttreten der Neuregelung erteilt worden. Für sogenannte "Altfälle" gilt die Neuregelung daher nicht. Diese kann – entgegen der von Hansens in RVGreport 2009, 161 ff. vertretenen Ansicht – auch nicht zur Auslegung dahingehend herangezogen werden, dass eine Anrechnung auch vor Inkrafttreten der Neuregelung ausscheidet. Auch wenn richtig sein mag, dass der Gesetzgeber mit dieser Neuregelung klarstellen wollte, dass sich die Anrechnung im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich nicht auswirkt, ändert dies nichts daran, dass nach bisherigem Recht nach dem eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Wortlaut der Vorbem. 3 Abs. 4 VV eine solche Anrechnung zu erfolgen hatte.
Der Beschwerdeführer macht in der Sache vergeblich geltend, dass eine Geschäftsgebühr mangels entsprechenden Auftrags seiner Mandantin nicht entstanden sei. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass – abweichend vom gesetzlichen Regelfall einer 1,3-Verfahrensgebühr – aufgrund einer Anrechnung nur eine verringerte Verfahrensgebühr in Ansatz zu bringen ist, trägt grundsätzlich derjenige, der sich auf die Anrechnung beruft (BGH NJW 2008, 1323 ff. [= AGS 2008, 158]). Wenn er allerdings die Voraussetzungen für eine solche Anrechnung nicht lediglich ins Blaue behauptet, sondern dies durch substantiierten Sachvortrag stützt, ist es nach allgemeinen Grundsätzen Sache des Gegners, diesen Einwand substantiiert auszuräumen. Erst wenn auch danach die Anrechnungsvoraussetzungen unaufklärbar bleiben, geht dies zu Lasten dessen, der sich auf die Anrechnung beruft.
Der Beschwerdeführer ist seiner oben dargestellten Darlegungspflicht nicht nachgekommen. Der Beschwerdegegner hat durch Vorlage des außergerichtlichen Schriftverkehrs substantiiert dargelegt, dass der Beschwerdeführer bereits außergerichtlich für seine Mandantin tätig war.
Hiermit sind die Voraussetzungen des Entstehens einer Geschäftsgebühr, die nach Abs. 3 der Vorbem. 2.3 VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information anfällt, erfüllt worden, was keiner näheren Ausführungen bedarf. Der Beschwerdegegner hat demnach durch die Vorlage von außergerichtlichen Schriftsätzen, welche üblicherweise eine Geschäftsgebühr auslösen, hinreichend zu den Voraussetzungen einer Anrechnung vorgetragen. Mehr war ihm nicht möglich, da das Auftragsverhältnis ausschließlich in die Sphäre des Beschwerdeführers und seiner Mandantin fiel. Angesichts dessen hatte es dem Beschwerdeführer, der behauptet hat, keinen Auftrag seiner Mandantin für diese Geschäftsbesorgung erhalten zu haben, oblegen, hierzu, also zu dem angeblich fehlenden Auftrag, substantiiert vorzutragen. Sein gesamter Vortrag verhält sich aber nicht dazu, welche Motive – wenn nicht ein entsprechender Auftrag seiner Mandantin – ihn dazu bewogen haben, in seinem Schriftsatz die Aufforderung des Gegners zu einem Verzicht abzuwehren und somit die Interessen seiner Mandantin wahrzunehmen. Dass er vor Abfassung dieses Schriftsatzes Kontakt mit seiner Mandantin hatte, ergibt sich daraus, dass er mit diesem Schriftsatz die angeforderten Einkommensnachweise überreicht hat. Nahezu der gesamte Vortrag des Beschwerdeführers zu der Chronologie und dem vermeintlichen Auftrag seiner Mandantin, ihre Interessen ausschließlich in dem Prozess zu vertreten, betrifft im Übrigen auch nur den Zeitraum nach Erhalt des gegnerischen Schreibens vom 14.12.2007. Zu dem Inhalt der Gespräche anlässlich der Abfassung des Schriftsatzes vom 17.7.2007 hat der Beschwerdeführer nicht substanti...