FamFG § 78, 76 FGG-ReformG Art. 111 Abs. 4 RVG § 21 Abs. 3 ZPO § 117
Leitsatz
- Weil die Erstreckung der Prozesskostenhilfe aus dem Scheidungsverbund gem. § 624 Abs. 2 ZPO a.F. entfallen ist, muss über die beantragte Verfahrenskostenhilfe in dem selbstständigen Verfahren neu entschieden werden, §§ 76 ff. FamFG (vgl. BGH AGS 2011, 167).
- Dabei wird insbesondere die Bedürftigkeit nach den aktuellen Verhältnissen des Antragstellers zu prüfen sein. Die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten richtet sich auch nach den Kriterien des § 78 Abs. 2 FamFG.
- Die Frage, ob mit Rücksicht auf die in dem Altverfahren bewilligte Prozesskostenhilfe nunmehr erneut Verfahrenskostenhilfe beantragt und beschieden werden muss, war im Zeitpunkt der Vereinbarung der Beteiligten über den Versorgungsausgleich bereits seit längerem streitig (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 15.9.2010, FamFR 2010, 514 unter Hinweis auf OLG Naumburg, FamRZ 2011, 391; OLG Jena, a.a.O., m.w.N.). Insoweit hätte für die Antragsgegnerin um so eher Veranlassung bestanden, erneut Verfahrenskostenhilfe zu beantragen.
OLG Jena, Beschl. v. 24.6.2011 – 1 WF 276/11
1 Sachverhalt
Das AG hat die Ehe der Beteiligten mit Urt. v. 11.8.2010 geschieden und das Versorgungsausgleichsverfahren gem. § 628 Nr. 4 ZPO abgetrennt.
Mit Beschl. v. 19.1.2011 hat das Gericht festgestellt, dass zwischen den Beteiligten ein Vergleich zustande gekommen ist, wonach ein Versorgungsausgleich zwischen ihnen nicht stattfinde.
Mit Schriftsatz v. 14.4.2011 beantragte die Antragsgegnerin, die im Scheidungsverfahren gewährte Prozesskostenhilfe für die Antragsgegnerin auch auf das isolierte Versorgungsausgleichsverfahren zu erstrecken. Die Antragsgegnerin hat angeführt, ihr hätte ein rechtlicher Hinweis erteilt werden müssen, dass sie ihren Antrag umstelle. Die Entscheidung des BGH sei erst nach Beschlussfassung ergangen. Für die Antragsgegnerin sei somit nicht erkennbar gewesen, dass sie einen erneuten Antrag auf Verfahrenskostenhilfe stellen müsse.
Das AG hat das Verfahrenskostenhilfegesuch mit der Begründung zurückgewiesen, dass nach Abschluss des Verfahrens kein Raum mehr für eine Bewilligung sei. Der BGH habe am 16.2.2011 entschieden, dass in Fällen, in denen der Versorgungsausgleich vom Scheidungsverbund nach altem Recht abgetrennt wurde, das Verfahren den Charakter als Folgesache verloren habe und als selbstständiges Verfahren fortzuführen sei. Eine Erstreckung der im Scheidungsverbund gewährten Prozesskostenhilfe auf das isolierte Versorgungsausgleichsverfahren sei daher zurückzuweisen.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, die anführt, dass sich die bereits für das Scheidungsverbundverfahren bewilligte Prozesskostenhilfe auch auf das vorliegende Verfahren beziehe. Die Rechtsfrage, ob abgetrennte Versorgungsausgleichssachen weiterhin Folgesachen oder ein eigenständiges Verfahren seien, sei noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung streitig gewesen. Es hätte demnach eines richterlichen Hinweises bedurft, dass ein neuer Antrag zu stellen sei.
Die Antragsgegnerin habe mit Schreiben vom 27.1.2011, also noch vor der Entscheidung des BGH, eine Abrechnung nach altem Recht vorgenommen. Diese sei wegen der Festsetzung der Gebühr für den Vergleich gerügt worden. Der Hinweis, dass die Abrechnung offensichtlich im getrennt abzurechnenden Versorgungsausgleichsverfahren vorzunehmen sei, sei wiederum nicht erfolgt. Erst mit Schreiben vom 11.4.2011 sei die Antragsgegnerin auf die Entscheidung des BGH vom 16.2.2011 hingewiesen worden.
Die Beschwerde, der das FamG nicht abgeholfen hat, blieb ohne Erfolg.
2 Aus den Gründen
In Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Versorgungsausgleich vom Scheidungsverbund nach altem Recht abgetrennt wurde und nach neuem Recht als selbstständige Familiensache fortzuführen ist, handelt es sich um eine selbstständige Familiensache. Nach der Entscheidung des BGH spricht der Wortlaut des Art. 111 Abs. 4 FGG-ReformG, wonach die von einem Scheidungsverbund nach altem Recht abgetrennten Verfahren zum Versorgungsausgleich bei Wiederaufnahme nach dem 1.9.2009 als "selbstständige Familiensachen" fortgeführt werden, eindeutig gegen eine Fortführung als Folgesache. Dafür spricht auch die Neuregelung des § 137 Abs. 5 FamFG, der ausdrücklich zwischen abgetrennten Folgesachen, die als solche fortgesetzt werden, und anderen Folgesachen, die als selbstständige Verfahren fortgeführt werden, unterscheidet. Dass Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-ReformG für die Übergangsfälle eine Fortführung als selbstständige Familiensachen anordnet, schließt eine Fortführung als Folgesache aus (BGH FamRZ 2011, 635).
Weil somit auch die Erstreckung der Prozesskostenhilfe aus dem Scheidungsverbund gem. § 624 Abs. 2 ZPO a.F. entfallen ist, muss über die beantragte Verfahrenskostenhilfe in dem selbstständigen Verfahren neu entschieden werden, §§ 76 ff. FamFG (vgl. BGH FamRZ 2011, 635 [= AGS 2011, 167]; OLG Jena AGS 2011, 134).
Dabei wird insbesondere die Bedürftigkeit nach den aktuellen Verhältnissen des Antragstellers zu prüfen sein....