Am 11.7.2008 erhob die Staatsanwaltschaft vor dem LG – große Strafkammer – Anklage wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tatmehrheit mit sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen, mit Sich-Verschaffen kinderpornographischer Schriften, mit Besitz kinderpornographischer Schriften und mit sexuellem Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person.
Nachdem im Zwischenverfahren aussagepsychologische Gutachten zur Frage der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeuginnen eingeholt worden waren, hat die Kammer die Anklage der Staatsanwaltschaft zur Hauptverhandlung nur zugelassen, soweit dem damaligen Angeklagten ein Fall des Sich-Verschaffens kinderpornographischer Schriften, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, zur Last gelegt worden ist und insoweit das Hauptverfahren vor dem AG – Strafrichter – eröffnet. Im Übrigen, soweit dem damaligen Angeschuldigten in drei Fällen sexueller Missbrauch vorgeworfen worden war, hat die Kammer die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und im Umfang der Ablehnung der Eröffnung die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des damaligen Angeschuldigten der Staatskasse auferlegt.
Zur Begründung führte die Kammer im Wesentlichen aus, dass nachdem der Angeklagte zwar den Erwerb und den Besitz von kinderpornographischen Schriften einräume, die gegen ihn erhobenen Missbrauchsvorwürfe jedoch abstreite, es nicht möglich sein werde, den damaligen Angeschuldigten, was die Missbrauchsvorwürfe angehe, i.S.d. Anklage zu überführen. Es fehle nämlich an zureichenden Beweismitteln, die die Anklagevorwürfe mit der erforderlichen Sicherheit zu belegen geeignet wären. Aus den eingeholten aussagepsychologischen Gutachten ergebe sich gerade, dass die Glaubhaftigkeit der Aussagen der beiden mutmaßlichen Tatopfer sowie der weiteren Zeugin gravierenden Bedenken ausgesetzt und mithin ein hinreichender Tatverdacht nicht zu bejahen sei.
Mit Urteil des AG – Strafrichter – ist der Angeklagte schließlich wegen Sichverschaffens in Tateinheit mit Besitz von kinderpornographischen Schriften kostenpflichtig verurteilt worden.
Der Verteidiger des Verurteilten beantragte daraufhin, betreffend die Kosten der Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens, die dem Verurteilten entstandenen Auslagen wie folgt gegen die Staatskasse festzusetzen:
Grundgebühr Nr. 4100 VV |
165,00 EUR |
Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV |
140,00 EUR |
Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV |
140,00 EUR |
Zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV |
140,00 EUR |
Auslagenpauschale |
20,00 EUR |
19 % MWSt. |
114,95 EUR |
Gesamtbetrag |
719,95 EUR |
Der Bezirksrevisor bei dem LG Bad Kreuznach hat hierzu ausgeführt, dass er gegen den Ansatz der jeweiligen Mittelgebühren für die Gesamtverteidigung keine Bedenken habe. Hätte sich die Verteidigung nur auf den Strafvorwurf beschränkt, bezüglich dessen das Hauptverfahren gegen den Angeklagten eröffnet wurde, wären auch die jeweiligen Mittelgebühren angefallen, sodass die Vergütung des Verteidigers gleich hoch sei; da die Auslagen des Verteidigers ebenfalls nicht geringer gewesen wären, sei eine erstattungsfähige Differenz derzeit nicht vorhanden.
Zudem sei eine Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV nicht entstanden. Die Gebühr wäre bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen möglicherweise angefallen, wenn das gesamte Verfahren unter Mitwirkung des Verteidigers ohne Hauptverhandlung geendet hätte. Vorliegend sei jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens nur wegen eines Teils der Anklage abgelehnt worden, im Übrigen hat eine Hauptverhandlung vor dem AG stattgefunden. Der Gebührentatbestand der Nr. 4141 VV sei daher nicht verwirklicht worden.
Die Rechtspflegerin beim AG hat daraufhin den Antrag auf Kostenfestsetzung zurückgewiesen, da ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse nicht gegeben sei. Nach der sog. "Differenztheorie" ausscheidbare Mehrkosten seien durch die Anklageerhebung im Verhältnis zur späteren Hauptverhandlung vor dem AG nicht entstanden.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde. Nach der "Differenztheorie" seien folgende ausscheidbare Auslagen zu erstatten, die allein auf den "eingestellten Teil" der landgerichtlichen Entscheidung zurückzuführen seien:
Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV |
155,00 EUR |
Erledigungsgebühr Nr. 4141 VV |
155,00 EUR |
19 % MWSt. |
58,90 EUR |
Gesamtbetrag |
368,90 EUR |
Die sofortige Beschwerde hatte nur teilweise Erfolg.