BGB §§ 1671, 1696 Abs. 1 FamFG §§ 52, 76 Abs. 2
Leitsatz
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Hauptsacheantrag auf Übertragung der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB entfällt nicht, wenn bereits eine dem Hauptsacheantrag entsprechende einstweilige Anordnung vorliegt.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 14.6.2010 – 7 WF 686/10
1 Sachverhalt
Aus der Ehe der der Beteiligten sind drei Kinder hervorgegangen. Die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin wurde unter Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge geschieden. Die Kinder verblieben zunächst bei der Antragsgegnerin, wurden jedoch, da die Antragsgegnerin diese vernachlässigte, vom Jugendamt in Obhut genommen und zum Antragsteller gebracht, wo sie sich seither aufhalten. Auf Antrag des Antragstellers übertrug das AG Ansbach die elterliche Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB vollumfänglich auf den Antragsteller.
Zwei Tage später leitete der Antragsteller ein entsprechendes Hauptsacheverfahren ein und beantragte, ihm hierfür Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen.
Dieses Verfahrenskostenhilfegesuch hat das AG ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, da der Antragsteller im Hauptsacheverfahren nur das begehre, was ihm bereits im einstweiligen Anordnungsverfahren zugesprochen worden sei, fehle der Hauptsacheklage das Rechtsschutzbedürfnis.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller sofortige Beschwerde einlegen lassen mit der Begründung, dem einstweiligen Anordnungsverfahren komme aufgrund der verfahrensrechtlichen Gestattung eine wesentlich geringere Richtigkeitsgewähr zu, sodass für ein Hauptsacheverfahren nicht das Rechtsschutzbedürfnis fehle, wenn vorher bereits eine entsprechende einstweilige Anordnung erlassen worden sei.
Das AG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, sondern diese dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Das OLG hat den angefochtene Beschlusses aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen
1. Das AG hat den Verfahrenskostenhilfeantrag mit der Begründung zurückgewiesen, für das Hauptsachverfahren fehle es nach der neuen Rechtslage am Rechtsschutzbedürfnis, da bereits eine einstweilige Anordnung vorliege, die dem Antragsteller die elterliche Sorge für die gemeinsamen drei Kinder zuspreche. Der Senat folgt dieser Meinung nicht.
Nach der seit 1.9.2009 geltenden gesetzlichen Regelung ist das einstweilige Anordnungsverfahren als eigenständiges, vom Hauptsacheverfahren abgekoppeltes Verfahren ausgestaltet. Dieser Umstand genügt jedoch nicht, um nunmehr im Sorgerechtsverfahren das Rechtsschutzbedürfnis für ein Hauptsacheverfahren zu verneinen, wenn bereits eine dem im Hauptsacheverfahren gestellten Antrag entsprechende einstweilige Anordnung vorliegt.
Bietet das Gesetz für eine Rechtsverfolgung mehrere prozessuale Möglichkeiten, ist grundsätzlich ein Nebeneinander der Rechtsbeihilfe mit einer Wahlfreiheit des Rechtssuchenden gewollt. Einschränkungen unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses kommen dabei nur in Betracht, wenn sich die verschiedenen Verfahren nach Einfachheit, Schnelligkeit und Kostenaufwand eindeutig unterscheiden, zugleich aber die Verfahrensergebnisse im Wesentlichen gleichwertig sind (BGH FamRZ 1982, 788; OLG Frankfurt NJW-RR 2008, 779). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zumindest die Ergebnisse der beiden Verfahren sind nicht gleichwertig.
Die einstweilige Anordnung stellt auch nach der neuen Rechtslage (lediglich eine vorläufige Maßnahme dar (§ 49 Abs. 1 FamFG), die im Rahmen eines summarischen Verfahrens getroffen wird (OLG Hamm FamRZ 2010,825; Keidel-Giers, FamFG, 16. Aufl., § 49 Rn 15). Dementsprechend muss auch dem Antragsteller die Möglichkeit eröffnet bleiben, zur endgültigen Klärung der Angelegenheit ein Hauptsacheverfahren durchzuführen. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass nach wie vor einer einstweiligen Anordnung nicht dieselbe Bestandskraft zukommt wie einer im Hauptsacheverfahren ergangenen Entscheidung. Auch das neue Gesetz lässt im einstweiligen Anordnungsverfahren eine erleichterte Aufhebung oder Änderung der ergangenen Entscheidung auf Antrag hin zu (§ 54 FamFG), wobei dies nicht erst möglich ist, wenn eine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist. Aufgrund des summarischen Charakters des einstweiligen Anordnungsverfahrens kann im Abänderungsverfahren vielmehr eine allumfassende Überprüfung der Erstentscheidung vorgenommen werden (Musielak/Borth, FamFG, 5. Aufl., § 54 Rn 1, 6). Wird hingegen im Hauptsacheverfahren eine Sorgerechtsregelung nach § 1671 BGB getroffen, ist eine Abänderung nur nach § 1696 Abs. 1 BGB möglich, also nur dann, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Der Hauptsacheentscheidung kommt somit ein größeres Gewicht zu, weil sie nicht nur in einem summarischen Verfahren, sondern nach eingehender Ermittlung der materiellen Voraussetzungen getroffen wird und weil sie nicht beliebi...