1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 48 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch des im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse ausschließlich nach den Beschlüssen, durch die die PKH bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Das Hess. LSG weist darauf hin, dass diese Beiordnung die Tätigkeit als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten für die gesamte Instanz umfasse. Dabei erfolge die Bewilligung von PKH für jeden Rechtszug gesondert. Insoweit sei jedoch nicht auf den verfahrensrechtlichen, sondern auf den kostenrechtlichen Begriff abzustellen. Folglich sei als besonderer Rechtszug jeder Verfahrensabschnitt zu verstehen, der gesonderte Gerichts- oder Anwaltskosten auslöse.
2. Bewilligung und Beiordnung für das Beschwerdeverfahren
Den Antragstellern war durch Beschluss des Hess. LSG vom 10.5.2017 PKH für das Beschwerdeverfahren bewilligt und ihnen ihre Prozessbevollmächtigten beigeordnet worden. Für das Aussetzungsverfahren nach § 199 Abs. 2 SGG sei jedoch weder PKH beantragt noch bewilligt worden.
Das Aussetzungsverfahren gem. § 199 Abs. 2 SGG stellt nach überwiegender Auffassung in Rspr. und Lit. im kostenrechtlichen Sinne einen selbstständigen Rechtszug dar und kein unselbstständiges Zwischen- oder Nebenverfahren im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens. Folglich finden auf dieses Verfahren grds. alle Vorschriften und Rechtsgrundsätze Anwendung, die für selbstständige Verfahren gelten. Dies hat zur Folge, dass über die Kosten des Aussetzungsverfahrens auch gesondert zu entscheiden ist (s. BSG, Beschl. v. 6.8.1999 – B 4 RA 25/98 B; Bay. LSG NZS 1997, 96; Nds. LSG SGb 1997, 578; Meyer-Ladewig/Schmidt, SGG, 13. Aufl., 2020, § 199 Rn 7c).
3. Gebührenrechtliche Auswirkungen
Das Hess. LSG teilt diese Auffassung lediglich hinsichtlich der Notwendigkeit einer gesonderten Kostengrundentscheidung, nicht hingegen hinsichtlich des Anfalls gesonderter Gebühren für das Aussetzungsverfahren. Insoweit verweist das LSG auf die Bestimmung des § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG, wonach die Tätigkeit des Rechtsanwalt, die eine vorläufige Einstellung, Beschränkung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung zur Folge hat, eine mit dem Hauptsacheverfahren zusammenhängende Tätigkeit darstellt, es sei denn, es finde eine gesonderte mündliche Verhandlung hierüber statt. Dies habe zur Folge, dass für die Tätigkeiten des Rechtsanwalts in Aussetzungsverfahren keine weitere Gebühr anfällt. Die Herbeiführung oder Abwehr von Entscheidungen über die Beschränkung der zumeist vorläufigen Vollstreckbarkeit gehöre zur Führung des Rechtsstreits, soweit keine mündliche Verhandlung stattfinde. Dabei müsse die mündliche Verhandlung im Aussetzungsverfahren auch noch gesondert von der Hauptsache stattfinden, um einen eigenständigen Gebührenanspruch begründen zu können (s. Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl., 2017, § 19 RVG Rn 37).
Mit der Tätigkeit im Aussetzungsverfahren nicht zu verwechseln sind nach den weiteren Ausführungen des Hess. LSG die Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, die während eines laufenden oder eines zumindest in diesem Rechtszug beendenden Verfahrens nach den §§ 707, 719, 769 ZPO bei dem Prozessgericht gestellt würden. Gleiches gelte für einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO, der beim Vollstreckungsgericht zu stellen sei und deshalb stets gem. § 18 Abs. 1 Nr. 6 RVG eine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit darstelle. § 199 Abs. 2 SGG entspreche aber den §§ 709, 719 ZPO, die daneben im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung finden würden.
Diese Grundsätze gelten nach den weiteren Ausführungen des Hess. LSG auch für das Beschwerdeverfahren, sodass die Tätigkeit des Anwalts in einem auf einer einstweiligen Maßnahme des Beschwerdegerichts gerichtetes Verfahren grds. eine mit dem Beschwerdeverfahren zusammenhängende Tätigkeit darstelle, wenn keine abgesonderte mündliche Verhandlung stattfinde (so auch Hess. VGH AGS 2008, 236).