Das OLG ist bei der Bewilligung der Pauschgebühr davon ausgegangen, dass der an 33 Terminstagen dem ehemaligen Angeklagten als Pflichtverteidiger/Terminsvertreter beigeordnete Rechtsanwalt RA 1 nicht ausschließlich einen Anspruch auf die Terminsgebühren hat. Es sei in Rspr. und Lit. umstritten, ob der wegen der Abwesenheit des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordnete Verteidiger als Vergütung für seine Tätigkeit als sogenannter "Terminsvertreter" nur die Terminsgebühren erhält, weil er lediglich als Vertreter des die Verteidigung insgesamt führenden Pflichtverteidigers beigeordnet worden ist, oder ob diesem weiteren Pflichtverteidiger eine (volle) Vergütung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV zusteht. Dass der auf diese Weise beigeordnete Pflichtverteidiger ausschließlich einen Anspruch auf die Terminsgebühr hat, hätten u.a. das KG (StraFo 2008, 349 = AGS 2008, 387 und NStZ-RR 2011, 295 = RVGreport 2011, 260), das OLG Stuttgart (StraFo 2011, 198 = AGS 2011, 224 = RVGreport 2011, 141 = StRR 2011, 422) und das OLG Celle (Beschl. v. 10.6.2006 – 2 Ws 258/06) entschieden. Auch Hartmann (Kostengesetze, 49. Aufl., 2019, RVG VV 4100, 4101 Rn 2) spreche sich dafür aus. Die gegenteilige Auffassung werde u.a. vom OLG Hamm (AGS 2007, 37), OLG Karlsruhe (NJW 2008, 2935 = AGS 2008, 489), vom OLG Düsseldorf (Beschl. v. 29.10.2008 – III-1 Ws 318/08), vom OLG München (zuletzt RVGreport 2016, 145 = AGS 2014, 174 = StRR 2014, 271), vom OLG Köln (RVGprofessionell 2010, 153), vom OLG Nürnberg (RVGreport 2016, 105 = StraFo 2015, 39 = AGS 2015, 29 = StRR 2015, 118) und vom OLG Bamberg (NStZ-RR 2011, 223 (Ls.) = StRR 2011, 167 (Ls.)) vertreten. Der Senat habe sich dieser – inzwischen wohl überwiegenden (so auch OLG Saarbrücken RVGreport 2015, 64 = StRR 2015, 117 = RVGprofessionell 2015, 60) – Auffassung, an der er auch weiterhin festhalte, bereits mit Beschl. v. 8.12.2010 ausdrücklich angeschlossen und dabei ausgeführt, dass sich die anwaltliche Vergütung im Einzelfall nach den durch die anwaltliche Tätigkeit konkret verwirklichten Gebührentatbeständen bemesse. In der Kommentar-Lit. werde diese Auffassung von Burhoff (Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., 2019, VV 4100, 4101 Rn 5 und VV 4106, 4107 Rn 6; s. Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021 Nr. 4100 VV Rn 8) vertreten.
Danach stehe dem Rechtsanwalt RA 1 neben den Terminsgebühren zunächst die Grundgebühr zu. Es sei aber auch die Verfahrensgebühr für das erstinstanzliche Verfahren nach Nr. 4112 VV angefallen, denn dieser Gebührentatbestand werde durch die konkret erbrachte Tätigkeit des Antragstellers zweifelsfrei erfasst. In Abstimmung mit dem planmäßig beigeordnetem Verteidiger, Rechtsanwalt RA 2, sei der Antragsteller mindestens seit November mit dem Verfahren befasst, denn er habe namens und in Vollmacht des damaligen Angeklagten seine Bestellung als Verteidiger neben Rechtsanwalt RA 2 beantragt und auch durch Schriftsatz vom 29.11.2015 an die Strafkammer und damit mehr als 2 Wochen vor der erstmaligen Beiordnung als Pflichtverteidiger für einen Hauptverhandlungstermin zu erkennen gegeben, dass er die Verteidigung insgesamt gemeinsam mit Rechtsanwalt RA 2 führe. Der weitere Verfahrensgang zeige, dass der Antragsteller und nicht der beigeordnete Rechtsanwalt RA 2 die Verteidigung des später Freigesprochenen sogar im Wesentlichen geführt habe. Rechtsanwalt RA 1 sei in 33 der 45 durchgeführten Hauptverhandlungstermine (wobei an 4 Hauptverhandlungsterminen, an denen Rechtsanwalt RA 3 wegen Verhinderung der Rechtsanwälte RA 2 und RA 1 als Pflichtverteidiger bestellt wurde, ohnehin nur Schlussvorträge anderer Verfahrensbeteiligter gehört wurden) als Pflichtverteidiger aufgetreten, er habe am 44. Hauptverhandlungstag auch den Schlussvortrag zur Verteidigung des damaligen Angeklagten gehalten. Der beigeordnete Verteidiger Rechtsanwalt RA 2 habe hingegen nur 8 Hauptverhandlungstermine wahrgenommen. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VV sei damit für den Antragsteller ohne jeden Zweifel konkret entstanden.