1. Rechtslage bis zum 31.12.2020 (RVG a.F.)
Bei der zumeist vertretenen Rechtsaufassung der Sozial-/Landessozialgerichte zum RVG a.F. ist eine fiktive Terminsgebühr nur bei einem unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossenen Vergleichs (sog. gerichtlichen Vergleich) entstanden. Ein "schriftlicher Vergleich" i.S.d. Nr. 3106 S. 1 Nr. 1 2. Alt. VV sei nur ein unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossener Vergleich nach § 202 SGG, § 278 Abs. 6 ZPO bzw. nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG (vgl. LSG Essen, Beschlüsse v. 13.5.2011 – L 19 AS 726/11 B, v. 5.1.2015 – L 19 AS 1350/14 B, v. 11.3.2015 – L 9 AL 277/14 B = NZS 2015, 560, v. 4.1.2016 – L 10 SB 57/15 B, v. 25.8.2016 – L 19 AS 1194/16 B, L 19 AS 1195/16 B, v. 12.10.2018 – L 19 AS 814/18 B, v. 7.3.2019 – L 13 SB 27/19 B und v. 22.7.2019 – L 9 SO 411/18 B, selbst noch v. 6.3.2020 – L 2 AS 1110/19 B; sowie LSG Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse v. 20.7.2015 – L 7/14 AS 64/14 B, v. 15.11.2018 – L 7 AS 73/17 B; SG Frankfurt, Beschl. v. 5.11.2018 – S 7 SF 110/16 E; LSG München, Beschl. v. 22.5.2015 – L 15 SF 115/14 E) und nicht auch ein außergerichtlicher Vergleich ohne konstitutive Mitwirkung des Gerichts.
Die Verfahrensbeendigung erfolgte nach dortiger Ansicht vielmehr durch außergerichtlichen Vergleich mit anschließender übereinstimmender Erledigungserklärung. Diese Erledigungserklärung sei in gerichtskostenfreien Verfahren nach § 183a SGG einer Klagerücknahme gleichzustellen (LSG Essen, Beschl. v. 9.2.2021 – L 19 AS 92/21 B).
Die ausnahmslose Abstellung auf einen zwingend notwendigen gerichtlichen Vergleichsbeschluss vermied etwaige Unklarheiten und Abgrenzungsfragen, wie bspw. in Fällen von nachträglich geänderten oder ergänzten Vergleichsvorschlägen und ermöglichte den Beteiligten zudem im Rahmen der wirtschaftlichen Beurteilung einer Vergleichswirkung die Steuerung und ggfs. Verminderung der in der Gesamthöhe anfallenden außergerichtlichen Kosten entsprechend des allgemein im Kostenrecht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und der hieraus resultierenden Kostenminderungsverpflichtung.
2. Rechtslage ab dem 1.1.2021
Mit KostRÄG 2021 wurde die Formulierung der Nr. 3106 S. 1 2. Alt. VV unter Streichung des Wortes "Vergleich" geändert.
Nunmehr soll die fiktive Terminsgebühr in einem Verfahren entstehen, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, wenn in einem solchen Verfahren mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts ein Vertrag i.S.d. Nr.1000 VV geschlossen wird oder eine Erledigung der Rechtssache i.S.d. Nr. 1002 VV eingetreten ist. Hierdurch ist gewährleistet, dass nur solche Einigungen die fiktive Terminsgebühr auslösen, welche auch den Gebührentatbestand der Nrn. 1000/1002 VV erfüllen.
Die Gebührenentstehung war in der ordentlichen Gerichtsbarkeit seit langem anerkannt, auch wenn das Verfahren durch einen nicht protokollierten privatschriftlichen Vergleich erledigt worden ist.
Die fiktive Terminsgebühr diene in erster Linie dazu, dem Anwalt das gebührenrechtliche Interesse an einer Terminsdurchführung in den Fällen zu nehmen, in denen das Gericht davon gebraucht mache, den Rechtstreit ohne mündliche Verhandlung zu beenden. Eine Beschränkung nur auf gerichtliche Vergleiche liefe diesem Ziel zuwider.
Es kommt nunmehr also nicht mehr darauf an, ob das Gericht an einer wie auch immer gearteten vergleichsweisen Regelung beteiligt gewesen ist. Nunmehr ist ein außergerichtlicher privatschriftlicher Vergleich für den Anfall der fiktiven Terminsgebühr ausreichend.
Das LSG Essen bzw. der erkennende Senat gibt nunmehr ausdrücklich seine bisherige Rechtsauffassung dazu auf.