ZPO §§ 91, 696 ff.; RVG VV Nrn. 3100, 3101
Leitsatz
Die für einen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens anfallende 1,3-Verfahrensgebühr ist erst erstattungsfähig, wenn der Antragsgegner eine angemessene Frist abgewartet hat, ob der Antragsteller den Antrag auf Erlass des Mahnbescheides nicht zurücknimmt.
OLG Koblenz, Beschl. v. 1.2.2010–14 W 33/10
Aus den Gründen
Das fristgemäß eingelegte Rechtsmittel ist in der Sache ohne Erfolg. Der angefochtene Beschluss hat den Kostenerstattungsanspruch der Beklagten zutreffend auf eine 0,8-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 VV, eine durch Mehrvertretung bedingte 0,3-Erhöhungsgebühr gem. Nr. 1008 VV, deren Festsetzung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht unterblieben ist, und die Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV beschränkt.
Allerdings ist für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV entfallen. Der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3101 Nr. 1 VV ist nicht erfüllt, weil die Verfahrensvertreter, nachdem sie am 27.5.2009 Widerspruch gegen den von der Klägerin erwirkten Mahnbescheid eingelegt hatten, am 29.5.2009 den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens stellten und der ihnen erteilte Auftrag erst mit der Klagerücknahme vom 18.6.2009 sein Ende fand (Bischof, in: RVG, 3. Aufl., Nr. 3101 ff. Rn 22; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 696 Rn 13). Aber das heißt nicht, dass die Gebühr der Nr. 3100 VV auf die kostentragungspflichtige Klägerin überbürdet werden könnte.
Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind den Beklagten nur die notwendigen Prozesskosten zu ersetzen. Im Hinblick darauf müssen sie sich so behandeln lassen, als wäre der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens nicht gestellt worden; dann wäre es nur zu einer Gebühr gem. Nr. 3101 VV gekommen. Der Klägerin hätte nämlich zunächst einmal Gelegenheit gegeben werden müssen, sich schlüssig zu werden, ob sie nach der Einlegung des Widerspruchs ihren Anspruch weiterverfolgen oder den Mahnbescheidsantrag zurücknehmen wollte (OLG Köln JurBüro 2000, 77, OLG Oldenburg JurBüro 1990, 1625). Erst wenn sie insoweit binnen angemessener Zeit keine Entscheidung getroffen hätte, wäre es Sache der Beklagten gewesen, ihrerseits initiativ zu werden (OLG Bamberg JurBüro 1981, 712; Senat AGS 2002, 140; OLG Saarbrücken JurBüro 1988, 193). Von einer derartigen Verfahrensverschleppung durch die Klägerin kann hier indessen keine Rede sein.
Anmerkung
Die Entscheidung des OLG Koblenz ist unzutreffend.
Es gibt keine Pflicht, abzuwarten, ob der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides zurückgenommen wird. Wird der Antragsgegner mit einem gerichtlichen Verfahren überzogen, dann darf er sich dagegen wehren. Dabei stehen ihm alle prozessual zulässigen Mittel zur Verfügung. Insbesondere kann der Antragsgegner einen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens stellen.
Er ist keinesfalls verpflichtet, abzuwarten, ob nach Widerspruch der Mahnantrag nicht zurückgenommen wird.
Das Gericht verkennt nämlich, dass die ZPO aus gutem Grund dem Antragsgegner ein eigenes Recht zum Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens eingeräumt hat.
Durch den von ihm selbst gestellten Antrag hat nämlich jetzt der Antragsgegner das Heft in der Hand und kann dafür sorgen, dass dem Antragsteller Fristen gesetzt werden, innerhalb derer er seine Ansprüche begründen und belegen muss. Er hat also die Möglichkeit, den Antragsteller unter Zugzwang zu setzen. Gelingt es diesem nicht, innerhalb der nunmehr laufenden Fristen (§ 697 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 ZPO) seinen Anspruch schlüssig zu begründen und die entsprechenden Beweise anzutreten, läuft er Gefahr, schon allein aus diesem Grunde den Prozess zu verlieren.
Solche Fälle kommen häufig vor. Es wird zunächst einmal "ins Blaue hinein" ein Mahnbescheid beantragt. Erst nach Widerspruch beginnt dann der Antragsteller, seinen Anspruch zu begründen und die entsprechenden Tatsachen und Beweismittel zusammenzutragen. Das kann für ihn dann aber schon zu spät sein.
Wer sich eines Anspruchs berühmt und ein gerichtliches Verfahren (Mahnverfahren) einleitet, der muss sich seines Anspruchs sicher sein und mit den Konsequenzen leben.
Der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens durch den Antragsgegner hat die gleiche Wirkung wie eine negative Feststellungsklage, deren Zulässigkeit unumstritten ist.
Wieso ein Antragsgegner die Möglichkeit der negativen Feststellung, nämlich hier durch den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens, nicht haben soll, wenn zuvor ein Mahnbescheid beantragt worden ist, der Anspruchsteller sich also nicht auf außergerichtliche Aktionen beschränkt, sondern gerichtliche Verfahren einleitet, ist nicht nachzuvollziehen.
Die Situation ist auch nicht mit dem Berufungsverfahren vergleichbar. Im Berufungsverfahren weiß der Gegner nach Einlegung der Berufung noch nicht, in welchem Umfang das erstinstanzliche Urteil überhaupt angefochten wird und welche Anträge gestellt werden. Daher muss er hier erst abwarten.
Im Mahnverfahren verhält es sich dagegen anders. Die Anträge sind bereits ge...