ZPO §§ 114 ff.; RVG VV Nr. 1008

Leitsatz

  1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beschränkt sich nicht allein auf die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV, wenn zwei Streitgenossen von demselben Prozessbevollmächtigten in derselben Angelegenheit vertreten werden, aber nur bei einem von ihnen die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen.
  2. Übersteigt die Prozesskostenhilfevergütung die im Innenverhältnis bestehende anteilige Schuld, so ist die Zahlungspflicht der Staatskasse entsprechend eingeschränkt, da der Anwalt von der Staatskasse nicht mehr beanspruchen kann als den Betrag, den der Mandant im Innenverhältnis zum gleichzeitig vertretenen Streitgenossen zu tragen hat.

OLG Köln, Beschl. v. 9.6.2009–17 W 108/09

Sachverhalt

Den Beklagten zu 2) und 3) wurde einschränkungslos Prozesskostenhilfe bewilligt. Zugleich wurde ihnen Rechtsanwalt T beigeordnet, der auch den Beklagten zu 1) vertrat. Im Termin haben alle Beklagten ihre Zahlungsverpflichtungen anerkannt. Es erging Anerkenntnisurteil mit einer Kostenentscheidung zulasten der Beklagten als Gesamtschuldner. Rechtsanwalt T hat Antrag auf Festsetzung der ihm zustehenden Gebühren gestellt, der mit einem Betrag von 843,47 EUR endet. Der Rechtspfleger unter Bezugnahme auf den Beschl. des BGH v. 1.3.1993 – II ZR 179/91 – (Rpfleger 1993, 452) lediglich 375,66 EUR festgesetzt und ausgeführt, die Prozesskostenhilfebewilligung erstrecke sich nur auf die Erhöhungsgebühr nebst Umsatzsteuer. Auf das Rechtsmittel von Rechtsanwalt T hin hat der Rechtspfleger die Sache dem Bezirksrevisor vorgelegt. Dieser hält die Entscheidung des BGH für vorliegend nicht anwendbar, weil den Beklagten zu 2) und 3) uneingeschränkt Prozesskostenhilfe gewährt wurde. Zugleich hat er auf den Beschl. d. Senates v. 29.6.1998–17 W 302/96 (OLGR 1998, 438) hingewiesen, wonach der beigeordnete Rechtsanwalt von der Staatskasse den Betrag verlangen kann, den sein Mandant, dem er beigeordnet wurde, im Innenverhältnis zum gleichzeitig vertretenen Streitgenossen zu tragen hätte, dem keine Prozesskostenhilfe gewährt wurde.

Daraufhin hat der Rechtspfleger weitere 245,30 EUR, insgesamt mithin 620,96 EUR zugunsten von Rechtsanwalt T festgesetzt und die Sache wegen des Differenzbetrages in Höhe von 222,51 EUR dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beschwerde hatte Erfolg.

Aus den Gründen

Die nur teilweise Festsetzung durch den Rechtspfleger ist rechtsfehlerhaft. Dem beigeordneten Rechtsanwalt T stehen die beantragten 843,47 EUR in voller Höhe zu. Gem. § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwaltes nach den Beschlüssen, durch die Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Geschieht dies wie vorliegend ohne Einschränkung, dann ist auch für eine reduzierte Gewährung von Gebühren kein Raum. Bei Wertgebühren ist der Anspruch gem. § 7 Abs. 2 RVG allerdings auf die Grundvergütung nach § 49 RVG zu reduzieren.

Keinesfalls beschränkt sich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe jedoch allein auf die Erhöhung nach Nr. 1008 VV, wenn zwei Streitgenossen von demselben Prozessbevollmächtigten in derselben Angelegenheit vertreten werden, aber nur bei einem von ihnen die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen. Mit der nahezu einhelligen obergerichtlichen Rspr. und der teilweise in der Lit. vertretenen Ansicht (OLG Bamberg OLGR 2001, 28; OLG Brandenburg JurBüro 2007, 259; OLG Celle Rpfleger 2007, 151 = AGS 2007, 250; OLG Düsseldorf Rpfleger 1997, 532; OLG Hamm Rpfleger 2003, 447 = AGS 2003, 509; OLG Jena OLGR 2007, 163; OLG München NJW-RR 1997, 191; OLG Schleswig JurBüro 1998, 476; OLG Stuttgart JurBüro 1997, 200; LG Frankenthal JurBüro 1997, 92; LAG Rheinland-Pfalz JurBüro 1997, 30; Fischer, JurBüro 1998, 4; Hartmann, KostG, 39. Aufl., § 48 RVG Rn 65; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rn 48; Mathias, in: Bischof/Jungbauer u.a., RVG, 3. Aufl., § 48 Rn 21; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt u.a., RVG, 18. Aufl., § 49 Rn 11; Rönnebeck, NJW 1994, 2273; Schnapp, in: N. Schneider/Wolf, RVG, 4. Aufl., § 48 Rn 58) hält der Senat an seiner Ansicht fest, dass der anderslautenden Entscheidung des BGH nicht zu folgen ist (a.A. ohne Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten dem BGH folgend: OLG Koblenz MDR 2001, 1262; JurBüro 2004, 384; OLG Naumburg Rpfleger 2004, 168; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 114 Rn 7).

Die Auffassung des BGH wird dem Umstand nicht gerecht, dass der Rechtsanwalt sowohl gegenüber dem bedürftigen wie auch dem gleichzeitig von ihm vertretenen vermögenden Streitgenossen gem. § 7 Abs. 2 S. 1 RVG "die Gebühren und Auslagen zustehen, die sie schulden würden, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre". Gem. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist er lediglich gehindert, seinen Anspruch gegen die Partei, der er beigeordnet wurde, geltend zu machen. Stattdessen steht ihm ein Vergütungsanspruch gem. §§ 121 ff. ZPO gegen die Staatskasse zu. Soweit der BGH meint, der vermögende Streitgenosse werde nic...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?