RVG § 15a RVG VV Nrn. 3102, 3103, 7000 SGG § 197 Abs. 2

Leitsatz

  1. Nr. 3103 VV ist eine im Verhältnis zu Nr. 3102 VV vorrangige Sondervorschrift mit niedrigerem Gebührenrahmen.
  2. In den Fällen, in denen der Rechtsanwalt bereits im verwaltungsbehördlichen Vorverfahren, welches den mit der Klage begehrten Erlass (desselben) Verwaltungsaktes betroffen hat, tätig geworden ist, berechnet sich die Verfahrensgebühr zwingend nach Nr. 3103 VV. Daran ändert auch der Anrechnungstatbestand des § 15a RVG (analog) nichts.
  3. Zur Festsetzung der Dokumentenpauschale (Nr. 7000 VV) bei unsubstantiiertem Sachvortrag.
  4. Kostenentscheidungserfordernis im Erinnerungsverfahren (hier offen gelassen).

SG Stuttgart, Beschl. v. 10.1.2011 – S 24 SF 9117/09 E

1 Sachverhalt

Die Klägerin hatte vom Beklagten nach dem SGB IX einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 beantragt. Vor dem SG fand zunächst ein Erörterungstermin statt. Nach Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen – unter anderem auf Antrag der Klägerin nach § 109 Abs. 1 SGG Einholung des Gutachtens – erkannte der Beklagte schließlich an, dass bei der Klägerin ein GdB von 50 bestand und verpflichtete sich für den Fall der Erledigung des Rechtsstreits, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Mit Anwaltsschriftsatz nahm die Klägerin das Anerkenntnis des Beklagten zur Erledigung des Rechtsstreits an.

Daraufhin machte die Klägerin folgende Kosten ihres Prozessbevollmächtigten geltend:

 
Praxis-Beispiel
 
Verfahrensgebühr für Verfahren vor SG, Nr. 3102 VV 250,00 EUR
Terminsgebühr im Verfahren vor SG, Nr. 3106 VV 200,00 EUR
Geschäftsreise, Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 1 VV 20,00 EUR
Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Dokumentenpauschale für Ablichtungen, Nr. 7000 Nr. 1 VV  
Ablichtungen/Fax aus Behörden- und Gerichtsakten, Nr. 7000 Nr. 1a VV (150 Seiten) 40,00 EUR
Zwischensumme netto 530,00 EUR
19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV 100,70 EUR
Gesamt 630,70 EUR

Der Beklagte meint, die Klägerin könne nur einen Betrag von 526,58 EUR beanspruchen. Da der klägerische Prozessbevollmächtigte bereits im Vorverfahren tätig gewesen sei, richte sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV, was zu einer entsprechenden Mittelgebühr von 170,00 EUR führe. Darüber hinaus könnten an Fotokopien lediglich 100 statt der geltend gemachten 150 Fotokopien anerkannt werden. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung habe die Verwaltungsakte lediglich 119 Blatt umfasst. Eine Vervielfältigung der gesamten Akten sei nicht erforderlich gewesen.

Die Klägerin ist dagegen der Auffassung, dass vorliegend der Gebührenrahmen der Nr. 3102 VV (analog) und nicht der der Nr. 3103 VV zur Anwendung komme. Dies ergebe sich aus § 15a RVG. Die Mittelgebühr betrage somit 250,00 EUR. Die Fotokopien setzten sich wie folgt zusammen: 58 Fotokopien aus der Verwaltungsakte sowie insgesamt 92 Fotokopien aus der Gerichtsakte, einschließlich Kopien der im Klageverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten. Insbesondere deren Anfertigung sei gerechtfertigt gewesen, da es der Klägerin nicht zumutbar gewesen sei, die nervenärztlichen Gutachten in den Kanzleiräumen zu lesen.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Kosten schließlich wie folgt festgesetzt:

 
Praxis-Beispiel
 
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV 170,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV 200,00 EUR
Dokumentenpauschale (100 Kopien), Nr. 7000 VV 32,50 EUR
Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer, Nr. 7008 RVG 84,08 EUR
Gesamt 526,60 EUR

Die hiergegen von der Klägerin eingelegte Erinnerung hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten ist rechtsfehlerfrei. Die Erstattung höherer Kosten kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen. Der Urkundsbeamte hat namentlich die Verfahrensgebühr zutreffend nach Nr. 3103 VV mit 170,00 EUR berechnet. Ebenso zutreffend hat er die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV mit einem Betrag von 32,50 EUR – ausgehend von 100 Fotokopien – festgesetzt.

Im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss ist zutreffend auf Nr. 3103 VV als dem hier einschlägigen Gebührentatbestand für die Verfahrensgebühr abgestellt worden, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin diese bereits im Vorverfahren vertreten und das Vorverfahren den mit der Klage begehrten Erlass desselben Verwaltungsaktes betroffen hat. Bei dem Gebührentatbestand der Nr. 3103 VV handelt es sich um eine im Verhältnis zu Nr. 3102 VV vorrangige Sondervorschrift mit niedrigerem Gebührenrahmen (statt vieler nur Bayerisches LSG, Beschl. v. 18.1.2007 – L 15 B 224/06 AS KO; SG Berlin, Beschl. v. 2.10.2009 – S 164 SF 1112/09 E, AGS 2010, 34 ff.; Hartmann, KostG, 40. Aufl. 2010, VV 3103 Rn 1; Straßfeld, in: Jansen, SGG, 3. Aufl. 2009, § 197 Rn 40, alle m.w.Nachw.).

Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Rechtsanwalt aufgrund der durch die vorangegangene Tätigkeit im Verwaltungsverfahren erworbenen Sach- und Rechtskenntnisse im gerichtlichen Verfahren einen geringere...

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