Der Kläger hat darüber hinaus Anspruch auf Erstattung einer Hebegebühr. Eine Erstattungspflicht der Hebegebühr durch den Gegner kommt zwar grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Zuziehung eines Rechtsanwalts bei der Empfangnahme zur Rechtsverfolgung notwendig war. Bittet der Rechtsanwalt des Geschädigten die gegnerische Haftpflichtversicherung um Zahlung des Schadensersatzbetrages unter ausdrücklichen Hinweis auf die Vorschrift der Nr. 1009 VV an sich, hat die Versicherung auch die durch die Auszahlung des Betrages entstehende Hebegebühr zu ersetzen (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl., VV 1009, Rn 20, 22). Unstreitig hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass bei einer Überweisung auf das Kanzleikonto eine Hebegebühr anfallen werde. Dass ein Hinweis erteilt wurde, geht im Übrigen auch aus dem in erster Instanz vorgelegten Schreiben der Beklagten hervor. Ob innerhalb des Zahlungsaufforderungsschreibens neben dem Kanzleikonto auch das Privatkonto des Klägers angegeben war, ist für die Erstattungsfähigkeit der Hebegebühr dagegen nicht maßgeblich.

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung weiterer Rechtsanwaltsgebühren. Der Kläger kann im Ergebnis den 1,8-fachen Gebührensatz verlangen. Ist die Rechtsanwaltsgebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Die tatbestandlichen Voraussetzungen nach Nr. 2300 VV für eine Erhöhung der Regelgebühr von 1,3 sind uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar, liegen im vorliegenden Fall jedoch vor. Auch wenn vorliegend die Forderung einer 1,8-fachen Gebühr nicht angemessen erscheint, kann dem AG jedoch insoweit gefolgt werden, dass im Hinblick auf das zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten die Bemühungen als leicht überdurchschnittlich und eine 1,5-fache Gebühr als angemessen erachtet werden kann. Bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr steht dem Rechtsanwalt nach überwiegender Meinung – bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen – ein Ermessensspielraum innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 % zu (vgl.: BGH, Urt. v. 5.2.2013 – VI ZR 195/12, Rn 8 [= AGS 2013, 111]; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 20 Aufl., § 14 RVG, Rn 12). Ein 1,8-facher Gebührensatz fällt ausgehend von dem als angemessen erachteten Gebührensatz von 1,5 in den zu tolerierenden Bereich von 20 %.

AGS 10/2015, S. 495

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