Leitsatz
- Für den Antrag eines Rechtsanwalts nach § 11 Abs. 1 S. 1 RVG auf Festsetzung der Vergütung ist sachlich das Vollstreckungsgericht zuständig, soweit der Rechtsanwalt die in der Zwangsvollstreckung bei ihm entstandene Vergütung gegenüber dem eigenen Auftraggeber festsetzen lassen will (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 15.2.2005 – X ARZ 409/04 [= AGS 2005, 208]).
- Örtlich zuständig ist insoweit das Amtsgericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung vorgenommen worden ist (Klarstellung zu bzw. Aufgabe von Senat, Beschl. v. 1.10.2003 – 4 AR 85/03).
OLG Celle, Beschl. v. 2.9.2015 – 4 AR 31/15
1 Sachverhalt
Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, hat vor dem AG Hannover einen Antrag auf Festsetzung der Vergütung gem. § 11 RVG gestellt. Dem liegt zugrunde, dass er für seinen Auftraggeber, den Antragsgegner, im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens tätig gewesen ist, das vor dem AG Hannover stattgefunden hat und in dem der Antragsgegner der Schuldner gewesen ist. Das AG Hannover hat den Antragsteller mit Verfügung v. 13.3.2015 darauf hingewiesen, dass die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Vollstreckungsgerichts nicht gegeben sei. Nach der Rspr. des AG Hannover wie auch der des OLG Celle sei für die Festsetzung nach § 11 RVG gem. § 764 Abs. 2 ZPO dasjenige Vollstreckungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk später die Zwangsvollstreckung stattfinden solle. Nach Anhörung des Antragstellers sowie des – im Gerichtsbezirk des AG Stralsund wohnhaften – Antragsgegners hat das AG Hannover sich sodann mit Beschl. v. 27.4.2015 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das AG Stralsund – Vollstreckungsgericht – verwiesen. Nach Anhörung des Antragstellers sowie des Antragsgegners hat das AG Stralsund sich mit Beschl. v. 7.8.2015 seinerseits für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung an das Oberlandesgericht Celle abgegeben. Zur Begründung hat das AG Stralsund in diesem Beschluss ausgeführt, dass das Vollstreckungsverfahren vor dem AG Hannover stattgefunden habe und aufgrund der sich hieraus ergebenden Sachnähe auch nur dieses Gericht über den streitgegenständlichen Antrag des Antragstellers entscheiden könne.
2 Aus den Gründen
Das AG Stralsund war gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als zuständiges Gericht zu bestimmen. Der Verweisungsbeschluss des AG Hannover ist für das AG Stralsund nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend. Zwar ist – mindestens – die rechtliche Argumentation des AG Hannover in seinem Verweisungsbeschluss nicht richtig. Unabhängig davon, ob nicht von Rechts wegen eine örtliche Zuständigkeit des AG Hannover oder gegebenenfalls eines dritten Gerichts gegeben gewesen wäre, ist der Verweisungsbeschluss des AG Hannover für das AG Stralsund aber bindend, da er nicht willkürlich i.S.d. diesbezüglichen Rspr. ist.
1. Grundsätzlich sind Verweisungsbeschlüsse i.S.v. § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn dem Verweisungsbeschluss jede rechtliche Grundlage fehlt und er bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (std. Rspr., vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 19.2.2013 – X ARZ 507/12, juris Rn 7; BGH, Beschl. v. 17.5.2011 – X ARZ 109/11, juris Rn 9; BGH, Beschl. v. 9.7.2002 – X ARZ 110/02, juris Rn 7).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen kommt dem Verweisungsbeschluss des AG Hannover eine Bindungswirkung zu.
a) Allerdings ist – mindestens – die rechtliche Argumentation in dem Verweisungsbeschluss nicht richtig.
aa) Zutreffend ist zunächst die Ausgangsüberlegung des AG Hannover. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 RVG wird die Festsetzung der Vergütung durch das Gericht des ersten Rechtszugs festgesetzt. Soweit es – wie vorliegend – darum geht, dass der Rechtsanwalt die in der Zwangsvollstreckung bei ihm entstandene Vergütung gegenüber dem eigenen Auftraggeber festsetzen lassen will, ist für die Festsetzung das Vollstreckungsgericht sachlich zuständig (vgl. BGH, Beschl. v. 15.2.2005 – X ARZ 409/04, juris Rn 7 [= AGS 2005, 208]).
b) Nicht richtig ist aber, dass – wie es das AG Hannover formuliert hat – örtlich zuständig das Vollstreckungsgericht ist, "in dessen Bezirk später die Zwangsvollstreckung stattfinden soll".
bb) Nach der – soweit ersichtlich – einhellig in der Lit. vertretenen Auffassung ist bei einer Fallkonstellation wie der vorstehend unter a) aa) genannten örtlich zuständig das Gericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung vorgenommen worden ist (vgl. Schneider, in: Schneider/Wolf, RVG, 7. Aufl., § 11 ...