Leitsatz
Eine fiktive Terminsgebühr entsteht nicht, wenn die Möglichkeit besteht, die Zulassung der Berufung zu beantragen.
VG Regensburg, Beschl. v. 27.6.2016 – RO 9 M 16.929
1 Sachverhalt
Im Hauptsacheverfahren hatte das VG durch Gerichtsbescheid entschieden. Der Kläger beantragte daraufhin die Festsetzung seiner Kosten, darunter auch einer 1,2-Terminsgebühr. Diese setzte der Urkundsbeamte ab.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheids dahingehend gelautet habe, dass innerhalb eines Monats Antrag auf Zulassung der Berufung oder stattdessen mündliche Verhandlung beantragt werden könne. Wenn durch Gerichtsbescheid gem. § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO entschieden und die Berufung nicht zugelassen werde, entstehe eine Terminsgebühr. Müsse die Zulassung der Berufung gem. § 124a Abs. 4 VwGO beantragt werden, führe dies nicht zum Ausschluss der Terminsgebühr. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Die Voraussetzungen der Nr. 3104 Nr. 2 VV seien erfüllt. Die einengende Auslegung im Kostenfestsetzungsbeschluss sei daher nicht nachvollziehbar. Auch der Bezug auf die Entscheidung des VG Schleswig-Holstein v. 21.9.2015 gehe fehl. In dieser Entscheidung sei ein Anspruch auf Terminsgebühr bei vollständigem Obsiegen durch Gerichtsbescheid verneint worden. Im vorliegenden Fall sei der Kläger – anders als in dem vom VG Schleswig-Holstein entschiedenen Fall – indessen teilweise unterlegen, so dass eine Beschwer gegeben sei und der Kläger mündliche Verhandlung beantragen könne.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle half der Erinnerung nicht ab und legte diese dem Gericht zur Entscheidung vor.
2 Aus den Gründen
Der gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) ist zulässig (§§ 165, 151 VwGO), jedoch nicht begründet.
Gem. §§ 165 S. 1, 151 S. 1 VwGO entscheidet über Erinnerungen das Gericht, dessen Urkundsbeamter gem. § 164 VwGO die Kosten festzusetzen hat. Nachdem die der Kostenfestsetzung zugrundeliegende Kostenentscheidung durch die Kammer getroffen wurde, entscheidet das Gericht über die Erinnerung ebenfalls in Kammerbesetzung (vgl. Kopp, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 165 Rn 3).
Der Urkundsbeamte hat in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht die geltend gemachte (fiktive) Terminsgebühr (Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Nr. 2 VV) nicht als eine dem Kläger erwachsene notwendige und zu erstattende Aufwendung festgesetzt.
Nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3104 VV entsteht die Terminsgebühr auch, wenn nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO oder § 105 Abs. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Vorliegend wurde zwar durch einen Gerichtsbescheid entschieden, es fehlt jedoch an der weiteren Voraussetzung, dass durch den Kläger (nur) eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann.
Nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO können die Beteiligten zwar grundsätzlich statt eines Antrags auf Zulassung der Berufung auch mündliche Verhandlung beantragen. Diese bloße Möglichkeit der Beantragung einer mündlichen Verhandlung (neben einem Antrag auf Zulassung der Berufung als Rechtsmittel) ließ nach der Rechtslage vor dem 2. KostRMoG die Geltendmachung und Erstattung einer fiktiven Terminsgebühr zu, unabhängig davon, ob mündliche Verhandlung zulässigerweise (nur wenn Beschwer gegeben durch vorangegangenen Gerichtsbescheid und fristgerechter Antrag auf mündliche Verhandlung, vgl. VG Regensburg, Beschl. v. 30.3.2015 – RO 9 K 15500/06, juris) überhaupt beantragt werden konnte und wurde, und unabhängig davon, ob Antrag auf Zulassung der Berufung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gestellt wurde.
Soll mit der durch das 2. KostRMoG durch die Formulierung: "… und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann …" vorgenommenen Ergänzung im Wortlaut der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV eine gesetzgeberische Absicht zum Ausdruck gebracht werden – auch im Sinne einer transparenteren und einfacheren Gestaltung der Kostenregelungen (vgl. BT-Drucks 17/11471, S. 1) –, die eine klar umsetzbare inhaltliche Veränderung gegenüber dem alten Rechtszustand herbeiführen soll, so kann diese nur darin gesehen werden, dass die fiktive Terminsgebühr nur mehr dann anfallen soll, wenn im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren kein Rechtsmittel gegeben ist bzw. zugelassen wird und deshalb nur mehr mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind das die Fälle des § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, im sozialgerichtlichen Verfahren die des § 105 Abs. 2 S. 2 SGG (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., Rn 38 zu Nr. 3104 VV; Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., Rn 85 zu Nr. 3104 VV).
Der Gesetzgeber hat diese Absicht der Einschränkung der fiktiven Terminsgebühr in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/11471, S. 275) entsprechend zum Ausdruck gebracht: "Die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr soll konsequent auf die Fälle beschränkt werden, in denen der Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwi...