Leitsatz
Einigen sich die Parteien in einem Rechtsstreit darauf, dass der Beklagte gegen sich Versäumnisurteil ergehen lässt und er die titulierte Forderung sodann in Raten zahlen kann, richtet sich die Einigungsgebühr nach dem vollen Wert des Verfahrens.
AG Siegburg, Urt. v. 25.5.2016 – 127 C 25/14
1 Sachverhalt
Die beklagte Anwältin hatte die Klägerin in einem Rechtsstreit vor dem LG vertreten, in dem die Klägerin auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 102.450,00 EUR in Anspruch genommen worden war. Der Klägerin war bekannt, dass eine Rechtsverteidigung aussichtlos war. Ungeachtet dessen beauftragte sie die Beklagte, die Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen und mit der Gegenseite in Verhandlungen zu treten. Es wurde daraufhin durch außergerichtliche Verhandlungen ein Vergleich geschlossen, wonach die Beklagte sich verpflichtete, Versäumnisurteil gegen sich ergehen zu lassen und ihr dann nachgelassen werde, die titulierte Summe in Raten zu zahlen.
Für dieses Verfahren rechnete die Beklagte eine 1,3-Verfahrensgebühr, eine 1,2-Terminsgegebühr sowie eine 1,0-Einigungsgebühr aus dem Gegenstandswert von 102.450,00 EUR ab. Die Klägerin bezahlte die Rechnung zunächst.
Später war sie der Auffassung, dass die Einigungsgebühr lediglich aus einem Gegenstandswert von 20 % der Klageforderung hätte abgerechnet werden dürfen, da hier ein Fall des § 31b RVG vorgelegen habe.
Mit ihrer Klage verlangt sie diesen Betrag nunmehr zurück.
Das AG hat die Klage abgewiesen.
2 Aus den Gründen
Im Hinblick auf die Abrechnung in dem Rechtsstreit … besteht kein Rückerstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte. Die in der Schlussrechnung vorgenommene Abrechnung ist korrekt. Insbesondere wurde der richtige Gegenstandswert zugrunde gelegt.
Gem. § 32 Abs. 1 RVG ist für die Festsetzung der Gebühren der Rechtsanwälte der für die Gerichtsgebühren gerichtlich festgesetzte Wert maßgebend, wenn ein solcher festgesetzt wird.
Vorliegend wurde durch das LG ein Streitwert in Höhe von 102.450,00 EUR festgesetzt. Somit war dieser Wert auch durch die Beklagte als Gegenstandswert in ihrer Rechnung zugrunde zu legen.
Einer Anwendung des § 31b RVG steht außerdem die Vorschrift des § 23 Abs. 1 RVG entgegen.
3 Anmerkung
Die Entscheidung ist im Ergebnis zutreffend, auch wenn die Begründung auf die zugrunde liegende Problematik letztlich nicht eingeht.
Das Gericht hatte einen Streitwert von 102.450,00 EUR festgesetzt. Insoweit geht das AG auch zutreffend davon aus, dass dieser Wert für die Anwaltsgebühren maßgebend ist.
Allerdings ist dieser Wert nur für diejenigen Gebühren maßgebend, die auch aus dem Wert des Streitgegenstands des damaligen Klageverfahrens angefallen sind. Wenn man mit der Klägerseite davon ausgeht, dass hier eine bloße Zahlungsvereinbarung geschlossen worden sei, dann wäre der Wert in Höhe von 102.450,00 EUR nicht bindend. Dann hätte allerdings von Klägerseite ein Antrag nach § 33 RVG gestellt werden müssen, den abweichenden Wert der Einigung gerichtlich festzusetzen.
Dass die Einigung außergerichtlich geschlossen worden ist, steht dem nicht entgegen, da nach zutreffender Ansicht ein Gericht auch für weitergehende, nicht anhängige Gegenstände auf Antrag nach § 33 RVG einen Wert festsetzen muss.
Weder die Klägerin noch das Gericht sind auf die abweichende Entscheidung des OLG München eingegangen, das in einem vergleichbaren Fall für die Einigungsgebühr gem. § 31b RVG lediglich einen Wert in Höhe von 20 % der Forderung angesetzt hat.
Die Entscheidung des OLG München ist jedoch in mehrfacher Hinsicht unzutreffend:
Zum einen hätte das OLG München den Wert gar nicht ermitteln dürfen. Es hätte das Kostenfestsetzungsverfahren aussetzen müssen, um den Parteien Gelegenheit zu geben, beim Erkenntnisgericht einen Antrag auf Wertfestsetzung nach § 33 RVG zu beantragen.
Abgesehen davon lag dem Fall des OLG München keine Zahlungsvereinbarung zugrunde.
Der Begriff der Zahlungsvereinbarung ist in Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 zu Nr. 1000 VV legal definiert. Danach liegt eine Zahlungsvereinbarung vor
"bei Abschluss eines Vertrags, durch den die Erfüllung des Anspruchs"
- bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf die gerichtliche Geltendmachung (1. Alt.)
und,
- wenn bereits ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vorliegt, bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen (2. Alt.)
geregelt wird“.
Zutreffend ist wohl, dass ein Vertrag geschlossen worden ist, durch den die Erfüllung eines Anspruchs geregelt worden ist.
Es fehlt aber an den weiteren Voraussetzungen.
Eine Zahlungsvereinbarung setzt nämlich in der ersten Variante voraus, dass man sich bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf die gerichtliche Geltendmachung einigt.
Diese Alternative ist aber nicht gegeben, da kein Verzicht auf die gerichtliche Geltendmachung vereinbart worden ist. Im Gegenteil war das gerichtliche Verfahren bereits anhängig. Auch ist die Klage nicht zurückgenommen worden. Vielmehr hat die damalige Klägerin auf einer gerichtlichen Entscheidung bestanden.
Die zweite Alternative des vorläufigen Verzichts auf Vollstrecku...