Nach dem durch das 2. KostRMoG zum 1.8.2013 eingeführten § 58 Abs. 3 S. 4 RVG ist für den Fall, dass die dem Pflichtverteidiger nach § 58 Abs. 3 S. 3 RVG verbleibenden Gebühren höher sind als die Höchstgebühren eines Wahlanwalts, auch der die Höchstgebühren übersteigende Betrag anzurechnen oder zurückzuzahlen.

Derzeit ist umstritten, wie die Begrenzung auf die "Höchstgebühren eines Wahlanwalts" zu verstehen ist:

Da der Pflichtverteidiger unter den Voraussetzungen des § 52 RVG die Feststellung einer Pauschvergütung beantragen kann, wird § 58 Abs. 3 S. 4 RVG teilweise dahin gehend ausgelegt, dass unter den "Höchstgebühren eines Wahlanwalts" auch die nach § 42 RVG festgestellte Pauschgebühr zu verstehen ist, weil diese nach § 42 Abs. 1 S. 3 RVG an die Stelle der jeweiligen Gebühr(en) tritt.[18]
Der Begriff der "Höchstgebühren eines Wahlanwalts" in § 58 Abs. 3 S. 4 RVG bezeichnet diejenige Vergütung als Anrechnungsgrenze, die der Pflichtverteidiger gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Berücksichtigung der dort genannten Umstände im konkreten Einzelfall nach billigem Ermessen höchstens verlangen könnte, wenn er das betreffende Mandat (weiterhin) als Wahlverteidiger wahrgenommen hätte.[19]
Nach einer weiteren Auffassung sind mit den Höchstgebühren eines Wahlanwalts die abstrakt zu erzielenden, im VV ausgewiesenen gesetzlichen Höchstbeträge des jeweiligen Gebührenrahmens gemeint.[20]

§ 58 Abs. 3 S. 4 RVG soll i.S.d. letztgenannten Auffassung geändert werden. Sind die dem Rechtsanwalt nach § 58 Abs. 3 S. 3 RVG verbleibenden Gebühren höher als die im Vergütungsverzeichnis vorgesehenen Höchstgebühren eines Wahlanwalts, ist auch der die Höchstgebühren übersteigende Betrag anzurechnen oder zurückzuzahlen.

Ziel der gewählten Formulierung ist es daher, eine Anrechnung oder Zurückzahlung nur für solche Fälle vorzusehen, in denen die höchste denkbare sich aus dem Vergütungsverzeichnis ergebende Wahlanwaltsvergütung (also ohne Berücksichtigung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG) überschritten wird.

 

Beispiel 11

Der Pflichtverteidiger erhält von seinem Mandanten für die Verteidigung im Hauptverfahren 600,00 EUR. Nach dem Hauptverhandlungstermin erfolgt die Verurteilung.

Der Pflichtverteidiger macht unter Anzeige der Zahlung i.H.v. 600,00 EUR folgende Vergütung gegen die Staatskasse geltend:

 
Grundgebühr, Nr. 4100 VV 176,00 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV 145,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 4108 VV 242,00 EUR
Längenzuschlage, Nr. 4110 VV 121,00 EUR
Gesamt Gebühren 684,00 EUR

Höchstgebühren eines Wahlanwalts nach dem VV:

 
Grundgebühr, Nr. 4100 VV 396,00 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV 319,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 4108 VV 528,00 EUR
Gesamt Gebühren 1.243,00 EUR

Der Urkundsbeamte prüft die Anrechnung wie folgt:

 
Vorschuss 600,00 EUR
zzgl. einfache Pflichtverteidigergebühren 684,00 EUR
abzgl. doppelte Pflichtverteidigergebühren – 1.368,00 EUR
Kein Anrechnungsbetrag – 84,00 EUR

Allerdings überschreiten der Vorschuss i.H.v. 600,00 EUR und die Gebühren der Staatskasse i.H.v. 684,00 EUR, insgesamt 1.284,00 EUR, die Höchstgebühren eines Wahlverteidigers i.H.v. 1.243,00 EUR um 41,00 EUR. Deshalb zahlt die Staatskasse noch 643,00 EUR statt 684,00 EUR:

 
1.284,00 EUR – 1.243,00 EUR = 41,00 EUR
684,00 EUR – 41,00 EUR = 643,00 EUR
[18] So NK-GK/Stollenwerk, 2. Aufl., § 58 RVG Rn 20.
[19] OLG Jena Rpfleger 2018, 231 = RVGreport 2018, 95; OLG Koblenz RVGreport 2019, 421; LG Bad Kreuznach RVGreport 2019, 14; Burhoff, StraFo 2018, 140; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 58 Rn 81; BeckOK RVG/Sommerfeldt, § 58 Rn 32, 33.
[20] Vgl. Burhoff/Volpert, a.a.O., § 58 Rn 65; AnwK-RVG/N. Schneider/Fölsch, 8. Aufl., § 58 Rn 75; NK-GK/Stollenwerk, a.a.O., § 58 RVG Rn 20: Wenn eine Pauschgebühr nach § 42 RVG nicht festgestellt wird, bilden die Rahmenhöchstgebühren die Grenze dessen, was dem Pflichtverteidiger verbleiben darf.

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