Die Frage, ab wann die geplanten linearen und strukturellen Anpassungen des RVG im Falle des Inkrafttretens Anwendung finden, richtet sich nach der Übergangsregelung in § 60 RVG.
Der Entwurf weist zutreffend darauf hin, dass diese Übergangsvorschrift gerade bei bereits in der Vorinstanz mandatierten Rechtsanwälten und solchen, die erstmalig für ein Rechtsmittelverfahren mandatiert werden, derzeit kritikwürdige Ergebnisse hervorbringt. Denn gem. § 60 Abs. 1 S. 2 RVG ist im Falle der bereits vorhandenen Tätigkeit des Rechtsanwalts im Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Gesetzesänderung in derselben Angelegenheit die Vergütung für das Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist, nach neuem Recht zu berechnen.
• |
Wenn der Rechtsanwalt erstmals für ein Rechtsmittelverfahren (Beschwerde, Berufung, Revision) beauftragt wird, entscheidet über die Anwendung alten oder neuen Rechts für das Rechtsmittelverfahren allein der Zeitpunkt der Beauftragung. Auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels kommt es insoweit nicht an, weil der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit (Vorinstanz) noch nicht tätig war. |
• |
War der Rechtsanwalt bereits in der Vorinstanz tätig, gilt die Regelung in § 60 Abs. 1 S. 2 RVG nur für den Rechtsanwalt des Rechtsmittelführers. Ist diesem Rechtsanwalt der Rechtsmittelauftrag vor dem Stichtag erteilt worden, kommt es für die Anwendung alten oder neuen Rechts auf die Vergütung des Anwalts des Rechtsmittelführers für das Rechtsmittelverfahren allein darauf an, ob das Rechtsmittel vor oder nach dem Stichtag eingelegt worden ist. |
• |
Die Regelung in § 60 Abs. 1 S. 2 RVG gilt nicht für den Rechtsanwalt des Rechtsmittelgegners. Wird der Rechtsanwalt des Rechtsmittelgegners nach dem Stichtag mit der Vertretung im Rechtsmittelverfahren beauftragt, berechnet sich seine Vergütung auch dann nach neuem Recht, wenn das Rechtsmittel vor dem Stichtag eingelegt worden ist. Dies kann dazu führen, dass sich die Vergütung des Rechtsanwalts des Rechtsmittelführers nach altem, die des Rechtsanwalts des Rechtsmittelgegners dagegen nach neuem Recht richtet. |
• |
Die geplante Neufassung des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG stellt allein darauf ab, wann der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit erteilt worden ist. Sowohl für den Anwalt des Rechtsmittelführers als auch den des Rechtsmittelgegners kommt es damit in jeder Instanz allein auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung an. |
Beispiel 13
Der Kläger beauftragt den Prozessbevollmächtigten am 13.8.2020, der Beklagte seinen Prozessbevollmächtigten am 13.9.2020. Der Rechtsanwalt des Klägers wird am 20.12.2020 mit der Einlegung des Rechtsmittels gegen das Urteil beauftragt und legt das Rechtsmittel am 2.1.2021 ein. Der Beklagte beauftragt seinen Prozessbevollmächtigten am 10.1.2021 mit der Vertretung im Rechtsmittelverfahren.
Derzeit richtet sich die Vergütung des Prozessbevollmächtigten des Klägers für das Rechtsmittelverfahren nach neuem Recht, weil das Rechtsmittel trotz der Beauftragung vor dem Stichtag erst danach eingelegt worden ist. Für die Vergütung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten gilt durch die Beauftragung nach dem Stichtag nach neuem Recht.
Nach der geplanten Neuregelung durch das KostRÄG 2021 richtet sich die Vergütung des Prozessbevollmächtigten des Klägers für das Rechtsmittelverfahren nach altem Recht, weil er den Auftrag für das Rechtsmittel vor dem Stichtag erhalten hat. Für die Vergütung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten gilt durch die Beauftragung nach dem Stichtag auch hier neues Recht.
Darüber hinaus gilt Folgendes:
• |
Die Abhängigkeit der Vergütung vom Zeitpunkt der Auftragserteilung und nicht dem Zeitpunkt der Beiordnung/Bestellung gilt auch für den Fall, dass bestellte oder beigeordnete Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in einem Auftragsverhältnis zu den Beteiligten stehen. |
• |
Ferner wird klargestellt, dass das bisherige Vergütungsrecht insgesamt anzuwenden ist, nicht etwa beschränkt auf die Höhe der Vergütung. |
Die Änderung der allgemeinen Übergangsvorschrift des § 60 RVG soll bereits am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. Damit wird sichergestellt, dass für die vorgeschlagenen Anpassungen des RVG bereits die neue Übergangsvorschrift Anwendung findet. Im Übrigen soll das Gesetz am ersten Tag des ersten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft treten. Dann muss eine Verkündung im BGBl bis zum 31.12.2020 erfolgen, um ein Inkrafttreten zum 1.1.2021 zu gewährleisten.
Autor: Dipl.-Rpfleger Joachim Volpert, Willich
AGS 10/2020, S. 445 - 457