§ 5a GKG; § 130a ZPO a.F.; § 130d ZPO
Leitsatz
Ein Rechtsanwalt, der in eigener Sache als Rechtsanwalt ein Berufungsverfahren in einem WEG-Verfahren durchführt, und – nach Zurückweisung seiner Berufung durch das LG nach § 522 Abs. 2 ZPO – in einem Beschwerdeverfahren gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwerts erneut in eigener Sache als Rechtsanwalt auftritt, ist zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.8.2024 – 2 W 59/22
I. Sachverhalt
Der Kläger ist als Steuerberater bei einer großen internationalen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angestellt, er ist zugleich als Rechtsanwalt zugelassen. Er hat gegen ein seine Klage zurückweisendes Urteil des AG Berufung eingelegt, seine Beschwer in der Berufungsschrift mit 9.300,00 EUR angegeben und diese beim LG begründet. In seinem Briefkopf hat er jeweils "Rechtsanwalt, Steuerberater" und im Rubrum der Berufungsschrift unter Kläger sich selbst als Wohnungseigentümer und als Prozessbevollmächtigten sich selbst mit dem Zusatz "RA, StB" genannt. Das LG hat den Streitwert zunächst vorläufig auf 9.300,00 EUR festgesetzt und die Berufung – nach Hinweis auf eine beabsichtigte Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO und zwei Stellungnahmen des Klägers – durch Beschluss zurückgewiesen.
Das LG hat durch Beschluss den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 9.300,00 EUR festgesetzt. Empfangsbekenntnisse des Klägers über den Empfang der Beschlüsse des LG betreffend die Zurückweisung der Berufung und die Festsetzung des Streitwertes gelangten nicht zur Akte. Beide Beschlüsse wurden dem Kläger im Wege der Postzustellung am 9.2.2022 zugestellt.
Eine auf den 5.8.2022 datierte Beschwerdeschrift gegen die Streitwertfestsetzung für das Verfahren vor dem AG sandte der Kläger per Telefax am 9.9.2022 gegen 23:30 Uhr an das AG. Mit einem weiteren, auf den 5.8.2022 datierten Schriftsatz, den der Kläger per Telefax am 10.9.2022, einem Samstag, zwischen 00:00:38 und 00:05:46 Uhr an das LG übermittelte, erhob er Beschwerde gegen die Streitwertbeschlüsse des AG und des LG. Hinsichtlich des Streitwerts für das Berufungsverfahren begehrte er eine Festsetzung auf (nur) 626,85 EUR. In dem Briefkopf des Schriftsatzes ist bei seinem Namen "Rechtsanwalt, Steuerberater" angegeben. Im vollen Rubrum der Beschwerdeschrift hat sich der Kläger selbst als Kläger angegeben, ausdrücklich einen Prozessbevollmächtigten aufgeführt und dabei "RA X" angegeben. Die Beschwerdeschrift ist vom Kläger unterschrieben mit der Angabe "Rechtsanwalt, Steuerberater".
Der Beschwerdeschriftsatz wurde am 12.9.2022 auch in den Nachtbriefkasten eingelegt. Mit an das LG adressierten und am 26.9.2022 um 23:40:12 Uhr per Telefax übermittelten Schriftsatz beantragte der Kläger vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen. Das OLG hat die Beschwerde und die Anträge des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.
II. Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung
Die Beschwerde des Klägers gegen die Festsetzung des Streitwerts durch das LG sei unzulässig. Sie sei nämlich nicht in der erforderlichen Form als elektronisches Dokument innerhalb der in § 63 Abs. 3 S. 2 GKG bestimmten Frist bei dem Gericht eingelegt worden, dessen Entscheidung angefochten wurde, mithin dem LG (§ 68 Abs. 1 S. 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 5 S. 5 GKG). Da die Einreichung als elektronisches Dokument eine Zulässigkeitsvoraussetzung darstelle und nach dem Willen des Gesetzgebers von Amts wegen zu beachten sei, sei die Prozesserklärung bei Nichteinhaltung – wie hier – nicht wirksam (vgl. KG, Beschl. v. 25.2.2022 – 6 U 218/21, MDR 2022, 914; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., 2024, § 130d ZPO Rn 1).
a) Einlegung als Rechtsanwalt
Die Beschwerde sei als elektronisches Dokument einzureichen gewesen. Nach § 68 Abs. 1 S. 5 GKG sei u.a. § 66 Abs. 5 S. 1, 2 und 5 GKG entsprechend anzuwenden, mithin können nach § 66 Abs. 5 S. 1 GKG Anträge und Erklärungen ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden. Für die Bevollmächtigung gelten, so das OLG, die Regelungen der für das zugrundeliegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend (§ 66 Abs. 5 S. 2 GKG).
b) Fall der Vertretung
Nach Ansicht des OLG liegt ein Fall der Vertretung vor. Denn der Kläger habe im Beschwerdeverfahren mitnichten als Privatperson oder lediglich als Steuerberater agiert. Vielmehr habe er für das Beschwerdeverfahren eigenständig neu ein vollständiges Rubrum gefertigt. In dem bezeichne er sich mit Namen und Anschrift als Kläger. Dann gebe er sich ausdrücklich als Prozessbevollmächtigten an, wobei er zusätzlich eine Bevollmächtigung als Rechtsanwalt kenntlich mache, indem er angebet: "Prozessbevollmächtigter: RA X". Die Verwendung der Abkürzung "RA" im Kontext mit dem Namen des Klägers lasse nur den Schluss zu, dass damit die allgemein gebräuchliche Abkürzung für den...