Dr. Julia Bettina Onderka
ZPO §§ 91, 91a; RVG VV Nr. 3104, Vorbem. 3 Abs. 3
Leitsatz
Tilgt der Beklagte die zu titulierende Verbindlichkeit erst kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung, ist die Terminsgebühr des Klägervertreters nur insoweit zu erstatten, als sie sich nach den bis dahin entstandenen Kosten und nicht nach dem Streitwert der Hauptsache richtet, wenn es trotz der Kürze der Zeit noch möglich gewesen wäre, vor Aufruf der Sache einen die Erledigung der Hauptsache erklärenden Schriftsatz beim Prozessgericht einzureichen.
BGH, Beschl. v. 31.8.2010 – X ZB 3/09
Sachverhalt
Der Kläger hatte im Hauptsacheverfahren mit seiner Klage die Beklagte aus einem Vergleich auf Zahlung i.H.v. 48.720,00 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das LG bestimmte den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 10.9.2008. Die Klage und die Ladung zum Termin wurden der Beklagten am 29.7.2008 zugestellt. Am Abend des 8.9.2008 sandte die – anwaltlich nicht vertretene – Beklagte an den Kläger und das LG jeweils per Fax ein Schreiben, in dem sie mitteilte, dass sie am 8.9.2008 einen "Betrag von 48.720,00 EUR inkl. Verzugszins 5 %" an den Kläger überwiesen habe und die Gutschrift bei ihm nach Auskunft ihrer Bank am 9.9.2008 eintreffen solle. Entsprechende Bankbelege über die Buchung fügte die Beklagte ihren Fax-Schreiben vom 8.9.2008 bei. Weiter kündigte sie an, bei der Verhandlung vom 10.9.2008 nicht anwesend zu sein.
Im Termin vom 10.9.2008 war die Beklagte nicht vertreten. Nach Feststellung der Ladungsformalien und Bekanntgabe der schriftlichen Erklärung der Beklagten über die von ihr veranlasste Zahlung erörterte das LG mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers die Schlüssigkeit der Klage. Auf Nachfrage des Gerichts bestätigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass bei dem Kläger ein Betrag i.H.v. 49.176,65 EUR eingegangen sei, der allerdings zu niedrig sei, da bei den Zinsen nur 5 % und nicht fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz gezahlt worden seien. Nach weiterer Erörterung, ob eine Änderung des Klageantrags in der Säumnislage trotz der Regelung des § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO möglich sei, erklärte der Klägervertreter die Hauptsache über 48.720,00 EUR vollen Umfangs und die Zinsforderung in Höhe eines Teils von 465,65 EUR für erledigt. Er beantragte insoweit im Weg des Versäumnisurteils Feststellung der teilweisen Erledigung und im Übrigen Verurteilung zur Zinszahlung über 505,33 EUR. Das LG hat antragsgemäß erkannt.
Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat der Klägervertreter unter anderem beantragt, für die Wahrnehmung des Termins, in dem das Versäumnisurteil ergangen war, eine 1,2-fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV festzusetzen. Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 19.9.2008 hat er insoweit unter Zugrundlegung eines Streitwerts von 48.720,00 EUR eine Gebühr i.H.v. 1.255,20 EUR geltend gemacht.
Durch Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin beim LG die dem Kläger zu erstattenden Kosten (einschließlich Gerichtskosten) auf 3.571,00 EUR festgesetzt und dabei die 1,2-fache Terminsgebühr lediglich aus dem halben Hauptsachestreitwert mit einem Betrag von 823,20 EUR angesetzt unter Berufung auf eine Kostenrechtsprechung des OLG München, wonach der Streitwert der einseitigen Erledigungserklärung 50 % des Werts der ursprünglichen Leistungsklage betrage. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Festsetzung einer 1,2-fachen Terminsgebühr aus dem vollen Hauptsachestreitwert weiter.
Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
1. Das OLG hat angenommen, dass bei Beginn der mündlichen Verhandlung das für den Gegenstandswert maßgebliche Interesse des Klägers nur noch in Höhe der Prozesskosten und des noch nicht getilgten Zinsbetrags von 505,33 EUR habe bestehen können, nachdem die Klageforderung durch Erfüllung erloschen und dies dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten vor dem Termin auch bekannt gewesen sei. Der Kläger habe gewusst, dass seine Klage daher ohne Erledigungserklärung weitestgehend abweisungsreif gewesen sei. Es erscheine mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar, es ins Belieben einer Partei zu stellen, ob sie bei der hier gegebenen Sachlage sogleich zu Beginn der Verhandlung die (Teil-)Erledigung erkläre oder erst noch Überlegungen über die ursprüngliche Schlüssigkeit anstelle.
2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde im Ergebnis stand.
Zutreffend ist das OLG zunächst davon ausgegangen, dass sich bei einer einseitigen Erledigungserklärung des Klägers der Streitwert regelmäßig auf die bis dahin entstandenen Kosten reduziert. Dies entspricht der ständigen Rspr. des BGH (BGHZ 57, 301, 303; 106, 359, 366; BGH, Beschl. v. 9.5.1996 – VII ZB 143/94, NJW-RR 1996, 1210; Beschl. v. 13.7.2005 – VII ZR 295/02, NJW-RR 2005, 1728; Beschl. v. 15.11.2007 – V ZB 72/07, WuM 2008, 35) sowie der ganz überwiegenden Meinung in der instanzgerichtlichen Rspr. (vgl. mit jeweils umfassenden Nachw. KG, Beschl....