Muss ein Anwalt seine früheren Mandanten auf Honorarzahlung verklagen, werden in der Regel – wie auch hier – falsche Klageanträge gestellt, die – wie hier – zum teilweisen Prozessverlust und damit zu Kostennachteilen führen.
Zu beachten ist, wie das OLG zutreffend ausführt, dass hier ein so genanntes eigenartiges Gesamtschuldverhältnis vorliegt.
Der Anwalt kann seine Vergütung insgesamt nur einmal verlangen (§ 7 Abs. 1 RVG). Jeder Auftraggeber schuldet aber die Vergütung nur insoweit, als sie entstanden wäre, wenn er den Auftrag alleine erteilt hätte (§ 7 Abs. 2 S. 1 RVG).
Lediglich hinsichtlich der Reisekosten findet sich eine abweichende Regelung (§ 7 Abs. 2 S. 2 RVG).
Das hat zur Folge, dass mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit zum Teil als Gesamtschuldner haften und zum Teil als Einzelschuldner.
Um diese Anteile zu ermitteln, ist wie folgt vorzugehen:
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Zunächst einmal ist die Gesamtvergütung des Anwalts zu berechnen, also die Vergütung, die der Anwalt von beiden Auftraggebern nach § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 1 RVG insgesamt verlangen kann. Das sind die Gebühren aus dem Gesamtwert, wobei gegebenenfalls die Geschäfts- und Verfahrensgebühren nach Nr. 1008 VV zu erhöhen sind. |
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Als nächstes ist dann für jeden einzelnen Auftraggeber zu berechnen, welche Vergütung er schulden würde, wenn er den Auftrag alleine erteilt hätte, also die jeweiligen Einzelhaftungen der Auftraggeber. |
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Hiernach ist die Gesamtschuld zu berechnen, und zwar indem man die beiden Einzelhaftungen addiert und davon die Gesamthaftung abzieht. Dieser Betrag stellt dann die gesamtschuldnerische Haftung dar. |
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Inwieweit jede Partei alleine, also nicht gesamtschuldnerisch mit der anderen, haftet, ergibt sich, indem von der jeweiligen Einzelhaftung die gesamtschuldnerische Haftung abgezogen wird. |
Der Anwalt wird von zwei Beklagten beauftragt eine Forderung in Höhe von 10.000,00 EUR, die gegen sie als Gesamtschuldner eingeklagt wird, abzuwehren. Es wird mündlich verhandelt. Da die Mandanten nicht zahlen, muss der Anwalt seine Vergütung einklagen.
(1) Die Gesamtvergütung des Anwalts berechnet sich wie folgt:
Wert 10.000,00 EUR
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV |
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777,60 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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583,20 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.380,80 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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262,45 EUR |
Gesamt |
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1.643,15 EUR |
(2) Die Einzelhaftung der jeweiligen Auftraggeber ergibt sich aus § 7 Abs. 2 S. 1 RVG wie folgt:
Haftung des A (Wert 10.000,00 EUR)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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631,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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583,20 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.235,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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234,65 EUR |
Gesamt |
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1.469,65 EUR |
Haftung des B: ebenfalls |
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1.469,65 EUR |
(3) Um die gesamtschuldnerische Haftung zu berechnen, ist nunmehr wie folgt vorzugehen:
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Die jeweiligen Einzelhaftungen nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG sind zu addieren. |
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Hiervon ist die Gesamthaftung abzuziehen. |
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Der danach verbleibende Differenzbetrag ergibt dann denjenigen Betrag, für den beide Parteien als Gesamtschuldner haften. |
Im Beispiel beläuft sich die gesamtschuldnerische Haftung somit auf:
Einzelhaftung des A |
1.469,65 EUR |
Einzelhaftung des B |
1.469,65 EUR |
Gesamtvergütung |
-1.643,15 EUR |
Gesamtschuld |
1.296,15 EUR |
(4) Die alleinige Haftung der einzelnen Auftraggeber ergibt sich nunmehr daraus, dass man von der jeweiligen Einzelhaftung nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG den Gesamtschuldbetrag abzieht. Demnach haften die Auftraggeber allein, also nicht gesamtschuldnerisch, i.H.v.:
Alleinige Haftung des A
Haftung nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG |
1.469,65 EUR |
Gesamtschuld |
-1.296,15 EUR |
Alleinige Haftung |
173,50 EUR |
Alleinige Haftung des B: ebenfalls |
173,50 EUR |
Insgesamt erhält der Anwalt somit:
gesamtschuldnerisch von A und B |
1.296,15 EUR |
von A allein |
173,50 EUR |
von B allein |
173,50 EUR |
Gesamt |
1.643,50 EUR |
Der zutreffende Klageantrag müsste also lauten:
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Die Beklagen sind als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.296,15 EUR zu zahlen. |
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Die Beklagen zu 1) sind zu verurteilen, an den Kläger weitere 173,50 EUR zu zahlen. |
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Die Beklagen zu 2) sind zu verurteilen, an den Kläger weitere 173,50 EUR zu zahlen. |
Zutreffend ist es auch, bei der Zahlung eines Auftraggebers diese zunächst auf dessen Einzelhaftung zu verrechnen, da diese für den Anwalt die geringere Sicherheit bietet. In Höhe der Gesamtschuld bleiben ihm zwei Auftraggeber, so dass diese die größere Sicherheit bietet.
Norbert Schneider