BGB §§ 134, 812, 814 BRAO § 49b RVG §§ 3a ff.
Leitsatz
- Vereinbaren die Parteien (auch) für gerichtliche Tätigkeiten des Anwalts eine nach Stunden zu berechnende Vergütung, ohne dass sie für das gerichtliche Verfahren ein Unterschreiten der gesetzlichen Vergütung ausschließen, ist die Vereinbarung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig.
- Das gilt auch dann, wenn sich im konkreten Fall aufgrund der Anzahl der geleisteten Stunden eine höhere als die gesetzliche Vergütung ergibt.
AG München, Urt. v. 10.2.2011 – 223 C 21648/10
1 Sachverhalt
Der Beklagte hatte die Drittwiderbeklagte (eine Rechtsanwalt-Partnerschaft) mit seiner Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren beauftragt. Diese unterbreitete daraufhin eine Vergütungsvereinbarung über ein Stundenhonorar von 220,00 EUR netto. Der Beklagte unterzeichnete die Vereinbarung, strich jedoch zuvor den unter Nr. 3 der genannten Vergütungsvereinbarung aufgeführten Text handschriftlich vollständig durch. Die Nr. 3 des Vereinbarungsvordrucks enthielt folgende Regelung:
"Soweit ... für den Mandanten Mahn- und Vollstreckungsverfahren oder Prozesse führt, wird diese Tätigkeit grundsätzlich auf der Basis der gesetzlichen Gebühren nach dem RVG ohne Anrechnung des vorgerichtlich angefallenen Stundenhonorars abgerechnet. In gerichtlichen Angelegenheiten gilt das gesetzliche Honorar als Mindesthonorar. Soweit für diese Tätigkeit das vorstehend vereinbarte Stundenhonorar die gesetzlichen Gebühren übersteigt, steht ... das überschießende Stundenhonorar als zusätzliche Vergütung zu."
Die Drittwiderbeklagte war mit dieser Streichung einverstanden und wurde in der Folge für den Beklagten u.a. auch in einem gerichtlichen Verfahren tätig.
Für ihre Tätigkeit stellte die Drittwiderbeklagte daraufhin zunächst einen Betrag i.H.v. 3.963,91 EUR in Rechnung, der von dem Beklagten bezahlt wurde. Auf weitere Rechnungen über 3.181,92 EUR sowie 2.534,75 EUR bezahlte der Beklagte insgesamt 1.000,00 EUR. Im Übrigen wurden die Rechnungsbeträge von dem Beklagten nicht bezahlt.
Bei Abrechnung der gesetzlichen Gebühren nach dem RVG wäre eine Vergütung in Höhe von insgesamt 3.135,65 EUR angefallen.
Die Drittwiderbeklagte trat daraufhin ihre Ansprüche auf die noch offenen Rechnungsbeträge an ein Mitglied ihrer Partnerschaft ab, das diese Ansprüche sodann einklagte. Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen und erhob Drittwiderklage gegen die Partnerschaft auf Rückzahlung, soweit er mehr als die gesetzlichen Gebühren gezahlt hatte.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage überwiegend stattgegeben.
2 Aus den Gründen
1. Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Bezahlung weiteren Rechtsanwaltshonorars aus abgetretenem Recht.
Die zwischen dem Beklagten und dem Drittwiderbeklagten geschlossene Vergütungsvereinbarung ist unwirksam, weshalb der Kläger keinerlei Rechte daraus herleiten kann.
Zwar ist die Vereinbarung nicht bereits deswegen nichtig, weil der Kläger ca. das Dreifache der gesetzlichen Gebühren für seine Tätigkeit fordert. Der Auffassung der Beklagtenpartei, eine solche Vereinbarung sei sittenwidrig, folgt das Gericht nicht. Ein Zeithonorar kann zulässig vereinbart werden. Es handelt sich um eine Vereinbarung der beteiligten Parteien, die damit eine Vergütung des Rechtsanwalts auf der Basis der geleisteten Arbeitszeit und nicht auf Basis des Gegenstandswertes bezwecken. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, auch wenn sich am Ende herausstellt, dass eine höhere Vergütung als die gesetzliche entsteht. Ein auffälliges Missverhältnis, das im Ausnahmefall eine andere Beurteilung gebieten könnte, sieht das Gericht bei einer Überschreitung wie der hier streitgegenständlichen nicht.
Die Vereinbarung ist jedoch nach § 134 BGB i.V.m. § 49b BRAO unwirksam. § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO verbietet dem Rechtsanwalt, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als es das RVG vorsieht, soweit dieses nichts anderes bestimmt. Die Vorschrift schützt das RVG als gesetzliche Taxe, soll einen Preiswettbewerb um Mandate verhindern und schützt durch diesen Eingriff in die Vertragsfreiheit die Rechtspflege als solche (vgl. Krämer/Maurer/Kilian, Vergütungsvereinbarung und -management, München 2005, Rn 468). Das Gesetz verbietet dem Rechtsanwalt somit, in gerichtlichen Angelegenheiten eine Vergütung zu fordern oder zu vereinbaren, die niedriger ist als die gesetzliche Gebühr, weil das RVG für gerichtliche Angelegenheiten – im Gegensatz zu einer außergerichtlichen Tätigkeit – keine Ausnahmeregelung vorsieht.
Die zwischen dem Beklagten und dem Drittwiderbeklagten geschlossene Vergütungsvereinbarung sah ursprünglich in Nr. 3 des verwendeten Vordrucks vor, dass für gerichtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts ein Mindesthonorar in Höhe der gesetzlichen Gebühr vereinbart wird. Der Beklagte hat diese Klausel aus der Vereinbarung gestrichen. Der Drittwiderbeklagte war unstreitig damit einverstanden.
Der Beklagte und der Drittwiderbeklagte haben damit einvernehmlich eine Vergütungsver...