Systemische Fortbildung à la Karlsruhe!
Das Recht der Vergütungsvereinbarung scheint den Richtern in Karlsruhe keine Ruhe zu lassen.
Hatte der 9. Zivilsenat noch für – vielleicht etwas übertriebene – Aufregung dadurch gesorgt, dass er fehlerhafte Vergütungsvereinbarungen für rechtswirksam erklärte, sorgt der 4. Strafsenat – ja man liest richtig, ein Strafsenat – für eine wirkliche Sensation und einen echten Paukenschlag, der die Seminare für das anwaltliche Vergütungsrecht mit neuem Leben erfüllen wird.
Grundsätzlich ist zu beobachten, dass Veranstaltungen zum anwaltlichen Gebührenrecht jedenfalls von Rechtsanwälten nur zu den Zeiten eifrig besucht werden, zu denen grundlegende Reformen zur Kenntnis zu nehmen sind, wie etwa 2004, 2006, 2008 und 2013. Ansonsten fristen Gebührenseminare eher ein stiefmütterliches Dasein und entsprechend ist auch die Qualität so mancher Gebührenabrechnungen, sei es nach gesetzlichen Gebühren, sei es aufgrund einer Vergütungsvereinbarung.
Ob der Aufruf des DAV, die Fortbildung zu intensivieren und die Fortbildungsverpflichtung zu sanktionieren, auch beim anwaltlichen Gebührenrecht zu Veränderungen führt, wird die Zukunft weisen.
Auch die Entscheidung der 5. Satzungsversammlung, sich vom Gesetzgeber die Kompetenz zu einer Verschärfung der allgemeinen Fortbildungsverpflichtung erteilen zu lassen, wird – wenn überhaupt – erst zu einem späteren Zeitpunkt Folgen haben.
All dies scheint jedenfalls dem 4. Senat des BGH nicht schnell genug zu gehen und so setzt er die Daumenschrauben – sicherlich wirksamer als jede anwaltliche Initiative – mit Hilfe des Strafgesetzbuches dort an, wo es wirklich weh tut!
Wie das geht? Nun, wie es scheint, recht einfach, indem man gebührenrechtliche Inkompetenz zum Straftatbestand mutieren lässt. Aus der RVG-Vorschrift von § 4a Abs. 1 Nr. 1 RVG leitet man eine Garantenstellung des Rechtsanwalts ab, die eine Bestrafung wegen Betruges durch Unterlassen ermöglichen soll!
Nun ist es zweifellos richtig, dass anwaltliche Aktionen im Zusammenhang mit Honorarabrechnungen durchaus Strafgesetze tangieren können und Strafgerichte bis hinauf zum BGH beschäftigt haben.
So hat bspw. der 5. Strafsenat des BGH im Urt. v. 6.9.2006 sehr anschaulich und überzeugend herausgearbeitet, unter welchen Umständen sich ein Rechtsanwalt der Gebührenüberhebung i.S.v. § 352 StGB oder des Betruges i.S.v. § 263 StGB bei Honorarforderungen strafbar machen kann.
Insbesondere kann man dort nachlesen, dass in der Regel der Vorwurf des Betruges nicht in Betracht kommt und insbesondere kann man dort erkennen, dass die Frage des Betruges nichts damit zu tun hat, ob die abgeschlossene Vergütungsvereinbarung nun wirksam oder unwirksam bzw. ob sie fehlerhaft oder nicht fehlerhaft ist. Mit den dort vorzufindenden Feinheiten hat sich der 4. Strafsenat allerdings nicht auseinandergesetzt, was ihm auch schwer gefallen wäre, beschäftigt er sich doch auf knapp 3¼ Seiten mit einer Materie, die es bereits zivilrechtlich in sich hat. Geradezu verblüffend ist, dass es ausgerechnet der BGH an einer sauberen Subsumption fehlen lässt, für die er im Allgemeinen überall – zu Recht – gelobt wird.
Das beginnt bereits mit der doch recht lapidaren Feststellung, dass hier ein Betrug durch Unterlassen in Betracht kommt. Ob aber eine Täuschung durch Unterlassen überhaupt möglich ist, ist durchaus umstritten und hätte sicherlich eine nähere Überprüfung verdient gehabt.
Setzt man sich über diese Problematik hinweg, lässt sich allerdings sicherlich noch argumentieren, dass in einem Anwaltsvertrag aus der Verletzung von Aufklärungspflichten eine Garantenstellung hergeleitet werden kann. Begründet wird dies damit, dass dort die vertragliche Beziehung bereits strukturell durch eine erhebliche Kompetenz- und Wissensdiskrepanz geprägt ist (ob das Wissen beim Gebührenrecht allerdings zugunsten des Rechtsanwalts asymmetrisch verteilt ist, darf in der Praxis manchmal bezweifelt werden).
Übereinstimmen kann man mit dem 4. Senat auch darin, dass diese besondere Aufklärungspflicht bei der Erstellung von Erfolgshonorarvereinbarungen sogar im Gesetz normiert ist, indem § 4a RVG eine entsprechende Aufklärung nicht nur vorschreibt, sondern die Erfüllung dieser Verpflichtung auch in der Vereinbarung selbst dokumentiert sehen will.
Bis hierhin lässt sich die Bewertung des 4. Strafsenats also durchaus noch nachvollziehen und das Gleichstellungserfordernis mit positivem Tun lässt sich mit der besonderen Pflichtenstellung des Täters (Rechtsanwalts) zum Schutz des Opfers (Mandanten) begründen.
Näherer Ausführungen hätte es allerdings sicherlich bedurft, um eine Täuschung beim betroffenen Mandanten festzustellen, da ja auch bei einem Betrug nicht jede irgendwie geartete Handlung (oder Unterlassung), sondern eine Täuschung notwendig ist, um die Irrtumsherbeiführung betrugsrelevant werden zu lassen.
Hierüber schweigt sich die Entscheidung aber aus.
Vielmehr ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass der betroffene Rechtsanwalt von Anfang an sehr deut...