Leitsatz
- Entstehen und Erstattungsfähigkeit der Anwaltsgebühren des Berufungsbeklagten sind voneinander zu trennen. Dass die 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV aus dem vollen Wert der erstinstanzlichen Beschwer bereits dadurch entsteht, dass der Berufungsbeklagte einen Zurückweisungsantrag formuliert, obwohl die Rechtsmittelbegründung noch aussteht, führt bei einer eingeschränkten Berufungsbegründung dazu, dass nur insoweit eine Erstattung der 1,6-fachen Gebühr stattfindet, während sie im Übrigen auf die 1,1-fache Gebühr (Nr. 3201 VV) beschränkt ist.
- Wird im Beschwerdeverfahren der Kostenfestsetzung kein konkreter Antrag formuliert, ist das Rechtsschutzziel durch Auslegung zu ermitteln. Ergibt die Auslegung, dass die angefochtene Entscheidung nach dem Inhalt der Beschwerdebegründung keinen Fehler zum Nachteil des Rechtsmittelführers enthält, ist die Sache mangels Erreichens des Beschwerdewerts in die erste Instanz zu dort abschließender Entscheidung zurückzugeben.
OLG Koblenz, Beschl. v. 26.5.2015 – 14 W 341/15
1 Aus den Gründen
Der Kläger wendet sich dagegen, dass die zweitinstanzliche Verfahrensgebühr auf Beklagtenseite durchweg nach einem Satz von 1,6 und nicht differenzierend nach Sätzen von 1,6 und 1,1 für erstattungsfähig erachtet wurde. Diese Sicht ist zutreffend, trägt indessen das Rechtsmittel nicht. Insoweit ist zu bemerken:
Grundsätzlich ist die streitige Gebühr der Nr. 3200 VV mit der Einreichung des Berufungszurückweisungsantrags in dem von der Rechtspflegerin angesetzten Umfang von 1,6 aus 20.500,00 EUR und daher in Höhe von 1.187,20 EUR angefallen, weil der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3201 VV nicht erfüllt ist (BGH NJW 2009, 3102; BGH JurBüro 2015, 90).
Das besagt aber nichts hinsichtlich ihrer Erstattungsfähigkeit gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Hier gilt vielmehr:
Vom Kläger zu ersetzen ist die Gebühr von 1,6 lediglich hinsichtlich eines Werts von 5.500,00 EUR, dessentwegen die (erfolglose) Berufung später von ihm begründet wurde; dagegen ist die Erstattungsfähigkeit in Bezug auf den überschießenden Eingangswert des Rechtsmittels von 15.000,00 EUR auf einen Satz von 1,1 begrenzt (BGH JurBüro 2008, 35 [=AGS 2007, 537]; BGH JurBüro 2014, 79 [= AGS 2014, 94]). Daraus ergeben sich Beträge von einerseits 566,40 EUR und andererseits 715,00 EUR, also von insgesamt 1.281,40 EUR.
Da der Kläger damit schlechter als bei der Berechnung der Rechtspflegerin stünde, wird gem. § 15 Abs. 3 RVG am Ende wieder der von dieser ermittelte Betrag von 1.187,20 EUR maßgeblich.
Daraus erhellt sich, dass das vorliegende Rechtsmittel nur scheinbar auf eine Besserstellung gerichtet ist. Tatsächlich ist der gesetzliche Beschwerdewert von mehr als 200,00 EUR (§ 567 Abs. 2 ZPO) nicht erreicht. Mithin muss die Sache dem LG zur alleinigen Beurteilung überlassen werden (§ 11 Abs. 2 RPflG).
Mitgeteilt von RiOLG Ernst Weller, Koblenz
AGS 11/2015, S. 542 - 543