Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit der Kosten des Berufungsbeklagten bei nur teilweiser Durchführung des umfassend eingelegten Rechtsmittels - Abgrenzung zu BGH V ZB 143/12 und XI ZB 21/13

 

Leitsatz (amtlich)

1. Entstehen und Erstattungsfähigkeit der Anwaltsgebühren des Berufungsbeklagten sind voneinander zu trennen. Dass die 1,6-fache Verfahrensgebühr nach 3200 RVG-VV aus dem vollen Wert der erstinstanzlichen Beschwer bereits dadurch entsteht, dass der Berufungsbeklagte einen Zurückweisungsantrag formuliert, obwohl die Rechtsmittelbegründung noch aussteht, führt bei einer eingeschränkten Berufungsbegründung dazu, dass nur insoweit eine Erstattung der 1,6-fachen Gebühr stattfindet, während sie im Übrigen auf die 1,1-fache Gebühr (3201 RVG-VV) beschränkt ist.

2. Wird im Beschwerdeverfahren der Kostenfestsetzung kein konkreter Antrag formuliert, ist das Rechtsschutzziel durch Auslegung zu ermitteln. Ergibt die Auslegung, dass die angefochtene Entscheidung nach dem Inhalt der Beschwerdebegründung keinen Fehler zum Nachteil des Rechtsmittelführers enthält, ist die Sache mangels Erreichen des Beschwerdewerts in die erste Instanz zu dort abschließender Entscheidung zurückzugeben.

 

Normenkette

RVG § 15 Abs. 3-4; RVG-VV Nrn. 3200-3201; ZPO §§ 511, 520, 567; RPflG § 11 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 3 O 155/13)

 

Tenor

Die Sache wird an das LG Bad Kreuznach zurückgegeben.

 

Gründe

Der Kläger wendet sich dagegen, dass die zweitinstanzliche Verfahrensgebühr auf Beklagtenseite durchweg nach einem Satz von 1,6 und nicht differenzierend nach Sätzen von 1,6 und 1,1 für erstattungsfähig erachtet wurde. Diese Sicht ist zutreffend, trägt indessen das Rechtsmittel nicht. Insoweit ist zu bemerken:

Grundsätzlich ist die streitige Gebühr der 3200 RVG-VV mit der Einreichung des Berufungszurückweisungsantrags in dem von der Rechtspflegerin angesetzten Umfang von 1,6 aus 20.500 EUR und daher i.H.v. 1.187,20 EUR erfallen, weil der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3201 RVG-VV nicht erfüllt ist (BGH NJW 2009, 3102; BGH JurBüro 2015, 90).

Das besagt aber nichts hinsichtlich ihrer Erstattungsfähigkeit gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Hier gilt vielmehr:

Vom Kläger zu ersetzen ist die Gebühr von 1,6 lediglich hinsichtlich eines Werts von 5.500 EUR, dessentwegen die (erfolglose) Berufung später von ihm begründet wurde; dagegen ist die Erstattungsfähigkeit in Bezug auf den überschießenden Eingangswert des Rechtsmittels von 15.000 EUR auf einen Satz von 1,1 begrenzt (BGH JurBüro 2008, 35; BGH JurBüro 2014, 79). Daraus ergeben sich Beträge von einerseits 566,40 EUR und andererseits 715 EUR, also von insgesamt 1.281,40 EUR.

Da der Kläger damit schlechter als bei der Berechnung der Rechtspflegerin dastünde, wird gem. § 15 Abs. 3 RVG am Ende wieder der von dieser ermittelte Betrag von 1.187,20 EUR maßgeblich.

Daraus erhellt, dass das vorliegende Rechtsmittel nur scheinbar auf eine Besserstellung gerichtet ist. Tatsächlich ist der gesetzliche Beschwerdewert von mehr als 200 EUR (§ 567 Abs. 2 ZPO) nicht erreicht. Mithin muss die Sache dem LG zur alleinigen Beurteilung überlassen werden (§ 11 Abs. 2 RPflG).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Sache hier nicht anhängig geworden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 8330997

ZAP 2015, 1124

ZfS 2015, 709

AGS 2015, 542

RVGreport 2015, 465

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