II. Es handelt sich um ein Verfahren nach § 127 GNotKG, das der beteiligte Notar auf Anweisung des Landgerichtspräsidenten nach § 130 Abs. 2 S. 1 GNotKG beantragt hat. Die zur Überprüfung gestellte Kostenberechnung entspricht den gesetzlichen Formerfordernissen des § 19 GNotKG und kann damit tauglicher Gegenstand eines Kostenprüfungsverfahrens nach § 127 GNotKG sein. Gegenstand des Kostenprüfungsverfahrens ist ausschließlich die in der Weisung des Landgerichtspräsidenten aufgeworfene Frage, ob bei der Ermittlung des für die Gebührenforderung des Notars maßgeblichen Geschäftswerts auch die im Nachlassverzeichnis aufgeführten Verbindlichkeiten einzurechnen sind.
III. Diese Frage ist nach Auffassung der Kammer zu bejahen.
Der Geschäftswert für die Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses wie z.B. eines Nachlassverzeichnisses bestimmt sich gem. § 115 GNotKG nach dem Wert der verzeichneten Gegenstände.
Ob bei der Ermittlung des Geschäftswertes auch die in das Verzeichnis aufgenommenen Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind oder nicht, ist in der Kommentarlit. umstritten.
Für eine Berücksichtigung der Verbindlichkeiten sprechen sich aus: Bormann/Diehn/Sommerfeld, GNotKG, 3. Aufl., § 115 Rn 4 und Diehn, Notarkostenberechnungen, 6. Aufl., Rn 1867.
Begründet wird diese Auffassung damit, dass es sich auch bei den Verbindlichkeiten um einen vom Notar verzeichneten – negativen – Vermögensgegenstand handele und es nicht darauf ankomme, ob ein bestimmter Gegenstand noch im Vermögen bzw. der Erbmasse vorhanden sei, sondern darauf, ob er in das Verzeichnis aufgenommen worden sei. Dieser Auffassung folgt auch der beteiligte Notar, der meint, dass bereits aus dem Wortlaut des § 115 GNotKG folge, dass die im passiven Nachlassbestand aufgenommenen Vermögenswerte den Werten des aktiven und des fiktiven Nachlasses hinzuzuaddieren seien, denn der Geschäftswert errechne sich aus der Summe der verzeichneten Vermögensgegenstände, ohne insoweit nach aktiven, fiktiven oder passiven Vermögenswerten zu differenzieren.
Gegen eine Berücksichtigung der Verbindlichkeiten sprechen sich aus: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl., § 115 Rn 5 ff.; Rohs-Wedewer, GNotKG, § 115 Rn 2; Leipziger Gerichts- & Notarkosten-Kommentar, 2. Aufl., § 115 Rn 1 und Streifzug durch das GNotKG, Notarkasse München, 12. Aufl., Rn 3172.
Begründet wird diese Auffassung im Ergebnis mit einem Hinweis auf die Vorschrift des § 38 FamFG, wonach Verbindlichkeiten, die auf einer Sache, einem Recht oder einem Nachlass oder anderen Vermögensmasse lasten, bei der Ermittlung des Geschäftswertes nicht abgezogen werden. Verbindlichkeiten nicht nur nicht abzuziehen, sondern im Gegenteil hinzuzurechnen, gehe zu weit; eine Addition von Negativvermögen sei dem Gesetz fremd; eine entsprechende gesetzgeberische Absicht lasse sich dem Wortlaut des § 115 GNotKG nicht eindeutig entnehmen. Dieser Auffassung sind die LG Aachen und Cottbus in ihren von der Kostenschuldnerin zitierten Entscheidungen gefolgt.
Die Kammer hält allerdings die erstgenannte Auffassung für überzeugend, und zwar deshalb, weil § 115 GNotKG seinem Wortlaut eben nach nicht darauf abstellt, welche Werte tatsächlich im Vermögen vorhanden sind, sondern darauf, welche Werte in das Vermögensverzeichnis aufgenommen werden. Hinzu kommt, dass das hier erstellte Nachlassverzeichnis der Erfüllung des Auskunftsanspruchs pflichtteilsberechtigter Angehöriger gegen die Kostenschuldnerin als Alleinerbin nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB dient, dieser Auskunftsanspruch der Rspr. des BGH zufolge (so schon Beschl. d. BGH – V ZR 124/59 – v. 2.11.1960) aber nicht nur die beim Erbfall tatsächlich vorhandenen Nachlassgegenstände (also die Aktiva) umfasst, sondern auch die ausgleichspflichtigen Zuwendungen des Erblassers, seine Schenkungen innerhalb der letzten zehn Lebensjahre (also den fiktiven Nachlass) und die Nachlassverbindlichkeiten (also die Passiva) und es daher folgerichtig erscheint, bei der Ermittlung des Geschäftswerts für die Erstellung des Nachlassverzeichnisses auch auf diese drei Komponenten Aktiva, fiktiver Nachlass und Passiva abzustellen. Die Regelung in § 38 GNotKG steht dieser Auffassung nicht entgegen, weil sich diese Vorschrift nur zur Frage des Abzugs von Verbindlichkeiten bei Ermittlung des Geschäftswertes verhält und damit nicht ausschließt, dass in bestimmten Fällen Verbindlichkeiten geschäftswerterhöhend zu berücksichtigen sein können.
Im Kostenprüfungsverfahren auf Anweisung der vorgesetzten Dienstbehörde entstehen keine Gerichtskosten (Wudy, in: Leipziger Gerichts- & Notarkosten-Kommentar, 2013, § 130 Rn 54). Anlass, die außergerichtlichen Kosten der Kostenschuldnerin der Staatskasse aufzuerlegen, besteht schon mit Blick auf den Verfahrensausgang nicht.
AGS 11/2020, S. 519 - 520