Leitsatz (amtlich)
Keine werterhöhende Berücksichtigung von Nachlassverbindlichkeiten bei der Bestimmung des Geschäftswerts für ein notarielles Nachlassverzeichnis (Anschluss an OLG Naumburg, Beschluss vom 03.02.2022 - 5 Wx 11/21)
Normenkette
GNotKG § 115
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 5 OH 5/20) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 3. März 2020 wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten in beiden Instanzen werden nicht erhoben.
Die Staatskasse hat der Beteiligten zu 2) die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten. Im Übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.427,20 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1) nahm auf Antrag der Beteiligten zu 2) ein Verzeichnis über den Nachlass ihrer im Jahre 2018 verstorbenen Mutter auf (UR-Nr. 22/2020 des Notars A. in Y.). In diesem Verzeichnis wurden Aktiva von 21.976,64 EUR, ein fiktiver Nachlass von 578.284,52 EUR sowie Passiva von 902.431,36 EUR aufgeführt (Bl. 13 ff. GA).
Der Beteiligte zu 1) hat der Beteiligten zu 2) mit Kostenrechnung vom 15. Februar 2020 (Nr.: N01) insgesamt 3.180,51 EUR für Gebühren und Auslagen incl. 19 % Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. In dieser Kostenrechnung (Bl. 4 f. GA) ist die Verfahrensgebühr KV 23500 in Höhe von 2.350,00 EUR nach einem Geschäftswert von 600.223,16 EUR berechnet und wie folgt erläutert: Aktivnachlass: 21.974,64 EUR, fiktiver Nachlass: 578.248,52 EUR; Passiva von 902.431,36 EUR sind nicht in Ansatz gebracht [Summe also: 600.223,61 EUR].
Auf Antrag der vorgesetzten Dienstbehörde vom 26. Februar 2020 (Bl. 6 GA) hat der Beteiligte zu 1) unter dem 3. März 2020 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Auf diesen Antrag hat das Landgericht die Kostenrechnung abgeändert. Es hat die Verfahrensgebühr auf 5.230,00 EUR erhöht, weil es einen Geschäftswert von 1.502.654,52 EUR zugrunde gelegt hat. Bei der Bemessung des Geschäftswertes hat es neben dem Aktivnachlass und dem fiktiven Nachlass auch den Passivnachlass von 902.431,36 EUR berücksichtigt [also Summe aus 21.974,64 EUR, 578.248,52 EUR und 902.431,36 EUR]. Die vom Landgericht korrigierte Notarkostenrechnung schließt mit einem Betrag von 6.607,71 EUR ab. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Der Geschäftswert für die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses bestimme sich nach § 115 GNotKG. Diese Vorschrift stelle nach ihrem Wortlaut nicht darauf ab, welche Werte tatsächlich im Vermögen vorhanden seien, sondern vielmehr darauf, welche Werte der Notar in das Vermögensverzeichnis aufgenommen habe. Das hier in Rede stehende Nachlassverzeichnis diene auch der Erfüllung der Verpflichtung aus § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB, wonach der Pflichtteilsberechtigte gegen den Erben einen Anspruch auf Auskunft über den Aktivnachlass, den Passivnachlass und den fiktiven Nachlass habe. Die Regelung des § 38 GNotKG stehe einer Berücksichtigung des Passivnachlasses nicht entgegen, weil sie nur den Abzug von Verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Geschäftswertes bestimme, mithin nicht ausschließe, dass Verbindlichkeiten den Geschäftswert erhöhend berücksichtigt würden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss (Bl. 248 ff. GA) verwiesen.
Gegen diesen ihr am 3. Juli 2020 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihrer Beschwerde, eingegangen beim Landgericht am 3. August 2020 (Bl. 258 ff. GA). Sie macht geltend, dass die Vorschrift des § 115 GNotKG auf den Wert "der verzeichneten Gegenstände" abstelle. Die Regelung des § 38 GNotKG stehe einer Hinzurechnung der Verbindlichkeiten entgegen. Nach § 38 GNotKG seien Verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Geschäftswertes nicht abzuziehen. Daraus sei erst recht der Schluss zu ziehen, dass die Hinzurechnung von Verbindlichkeiten verboten sei. Die Kostenberechnung vom 15. Februar 2020 sei daher zu bestätigen.
II. Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist begründet. Der Antrag des Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung auf Anweisung der vorgesetzten Dienstbehörde ist unbegründet und mithin zurückzuweisen. Die Kostenrechnung des Beteiligten zu 1) vom 3. März 2020 (Notarkostenrechnung Nr.: N01) über insgesamt 3.180,51 EUR ist zutreffend. Der Ansatz der dort aufgeführten Gebühren und Auslagen nebst Umsatzsteuer ist korrekt, insbesondere der Ansatz der 2fachen Verfahrensgebühr KV 23500 nach einem Geschäftswert von 600.223,16 EUR (§ 115 Satz 1 GNotKG).
Der Geschäftswert für die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses ist gemäß § 115 Satz 1 GNotKG der Wert der verzeichneten Gegenstände. Die Berechnung des Geschäftswertes richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 35 ff. GNotKG und den Bewertungsvorschriften der §§ 46 ff. GNotKG. Nachlassverbindlichkeiten (hier: 902.431,36 EUR, Bl. 22 f. GA) sind - entgegen der Auffassung des Landgerichts in dem angefochtenen Besc...