1. Gesetzliche Regelung
Nach Nr. 9000 Nr. 1 b) GKG KV fällt die gerichtliche Dokumentenpauschale an, wenn Ausfertigungen, Kopien oder Ausdrucke vom Gericht angefordert worden sind, weil die Partei oder ein Beteiligter es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen. Dieser Anfertigung steht es gleich, wenn per Telefax übermittelte Mehrfertigungen von der Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt werden. So fällt die Dokumentenpauschale nach dieser Vorschrift dann an, wenn eine Partei längere Schriftsätze zu den Gerichtsakten durch doppelte Übersendung per Telefax einreicht und auch das jeweils zweite Exemplar von der Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt wird (LSG Berlin-Brandenburg AGS 2019, 472 = RVGreport 2019, 232 [Hansens]). Dies gilt nach Auffassung des OLG Koblenz (AGS 2017, 82 = RVGreport 2017, 397 [Ders.]) selbst dann, wenn es aufgrund eines nicht von dem Gericht zu vertretenden Umstands zum Ausdruck von Fehlfaxen, also eines unvollständigen Schriftsatzes, kommt. Demgegenüber fällt die Dokumentenpauschale dann nicht an, wenn die Partei den Schriftsatz lediglich einmal per Telefax übermittelt hat und sodann die erforderlichen Mehrfertigungen beim Gericht im Original eingereicht hat (OLG Sachsen-Anhalt AGS 2013, 86 = RVGreport 2013, 160 [Ders.]).
2. Dokumentenpauschale nicht angefallen
Entgegen der Auffassung der Kostenbeamtin und der Bezirksrevisorin lagen nach den Ausführungen des OLG Nürnberg die vorgenannten Voraussetzungen für die Berechnung der gerichtlichen Dokumentenpauschale nicht vor.
a) Keine Verpflichtung zum Einreichen von Mehrfertigungen
Das OLG Nürnberg hat darauf hingewiesen, dass vorliegend von dem Beklagten keine Mehrfertigungen seiner Berufungsbegründungsschrift vom 8.2.2021 einzureichen waren. Die Regelungen in Nr. 9000 Nr. 1 b) GKG KV, § 28 Abs. 1 S. 2 GKG stehen nach Auffassung des OLG im Zusammenhang mit der aus § 133 Abs. 1 S. 1 ZPO resultierenden prozessualen Pflicht der Parteien, die erforderliche Anzahl von Abschriften der Schriftsätze nebst deren Anlagen beizufügen. Diese Regelung diene einmal der Kostendämpfung und bezwecke zum zweiten eine Kostengerechtigkeit, wonach derjenige, der besondere Kosten verursache, sie auch begleichen solle. Dies gelte insbesondere auch für den von Nr. 9000 Nr. 1 b) Hs. 2 GKG KV erfassten Mehraufwand des Gerichts durch Ausdruck von Telefaxschreiben. Dieser Mehraufwand, der der Justiz dadurch entstehe, dass sich die Partei bei der Wahrnehmung ihrer Verpflichtung aus § 133 Abs. 1 S. 1 ZPO der Telefaxeinrichtung des Gerichts bediene, rechtfertige den besonderen Auslagentatbestand.
b) Keine Mehrfertigung bei Übersendung gem. § 130a ZPO
Bei der elektronischen Übermittlung über das besondere Anwaltspostfach besteht nach den weiteren Ausführungen des OLG Nürnberg jedoch keine Verpflichtung, Mehrfertigungen einzureichen. Eine Partei, wie hier der Beklagte, der einen Schriftsatz gem. § 130a ZPO formwirksam als elektronisches Dokument einreiche, sei – wie sich aus § 133 Abs. 1 S. 2 ZPO ergebe – gerade nicht gehalten, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften in Papierform nachzureichen. Sofern zum Zwecke der Zustellung überhaupt noch ein Ausdruck erforderlich sei, weil etwa der Prozessgegner nicht über einen elektronischen Zugang verfüge, habe die Geschäftsstelle dafür Sorge zu tragen, dass das elektronische Dokument ausgedruckt und dem Gegner in der gesetzlich vorgeschriebenen Form übermittelt werde.
3. Keine analoge Anwendung von Nr. 9000 Nr. 1 b) GKG KV
Das OLG Nürnberg hat die Auffassung vertreten, die zusätzliche Einreichung eines inhaltlich identischen Schriftsatzes, der bereits zuvor elektronisch über das besondere Anwaltspostfach übermittelt worden sei, per Telefax widerspreche dem System des elektronischen Rechtsverkehrs. Dies gelte insbesondere dann, wenn dieses Telefax als weitere Form der Übermittlung von einem Rechtsanwalt "aus Sicherheitsgründen" gewählt werde. Dies sei bereits deshalb nicht erforderlich, weil bei der Übersendung von Schriftstücken an das Gericht über das besondere elektronische Anwaltspostfach gem. § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO sofort eine automatisierte Eingangsbestätigung eingehe. Durch die nochmalige Übermittlung des Schriftsatzes per Telefax, was hier sogar noch doppelt erfolgt sei, würden der Justiz zusätzliche Kosten nicht nur für Papier und Druck, sondern auch für Personal entstehen. Jedoch könne Nr. 9000 Nr. 1 b) GKG KV auf den vorliegenden Sachverhalt nicht entsprechend angewendet werden. Dem würde das kostenrechtliche Analogieverbot entgegenstehen. Gem. § 1 Abs. 1 S. 1 GKG würden nämlich Kosten (Gebühren und Auslagen) nur nach diesem Gesetz erhoben. Demzufolge seien sämtliche gerichtlichen Handlungen kostenfrei, wenn das GKG einschließlich des zugehörigen KV nicht ausdrücklich etwas anderes bestimme (BGH AGS 2007, 472 = RVGreport 2007, 440 [Hansens]).