1. Reisekosten des Anwalts am Sitz der Partei sind grundsätzlich erstattungsfähig
Nach der Rspr. des BGH und gefestigter Instanzrspr. muss eine Partei für einen Rechtsstreit vor einem auswärtigen Gericht nicht einen dort ansässigen Anwalt mandatieren, sondern darf grds. einen Anwalt an ihrem Wohnsitz bzw. an ihrer Niederlassung beauftragen (NJW 2003, 898; NJW-RR 2004, 858). Die dann entstehenden Reisekosten zum Termin sind in diesem Fall erstattungsfähig.
2. Keine Vergleichsberechnung mit den Kosten eines Terminsvertreters
Die Reisekosten sind auch dann erstattungsfähig, wenn die Kosten eines Terminsvertreters günstiger gewesen wären (BGH NJW-RR 2005, 1662). Nur im umgekehrten Fall findet eine Vergleichsberechnung statt. Die tatsächlichen Reisekosten eines Rechtsanwalts dürfen dagegen die ersparten Kosten eines Terminsvertreters unbegrenzt übersteigen. Der Grund hierfür liegt darin, dass sich eine Partei immer durch einen an ihrem Sitz bzw. an ihrer Niederlassung ansässigen Anwalt vertreten lassen darf. Ausnahmen gelten nur dann, wenn es der Partei aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten ohne Weiteres möglich ist, einen Anwalt vor Ort zu beauftragen.
3. Auch Reisekosten der Partei sind erstattungsfähig
Ebenso sind die Reisekosten der Partei zu einem Termin immer erstattungsfähig. Eine Partei hat immer das Recht, am eigenen Termin teilzunehmen (OLG Koblenz AGS 2010, 102; OLG Saarbrücken AGS 2012, 496). Wer besser als die Partei kann zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen? Wer besser als die eigene Partei kann einem Zeugen oder Gegner Vorhalte machen, wenn dieser die Unwahrheit sagt? Wer besser als die Partei selbst kann entscheiden, ob ein Vergleich geschlossen wird oder nicht?
4. Die Gestattung der Teilnahme per Video ist unerheblich
An diesen Grundsätzen hat sich durch die Einführung der Möglichkeit, am gerichtlichen Verhandlungstermin per Videokonferenz teilzunehmen, nichts geändert. Insbesondere kann die persönliche Anreise nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Anwalt und Partei bestimmen die Taktik ihres Prozesses. Ob diese es für opportun halten, persönlich vor Gericht aufzutreten oder nicht, muss ihnen überlassen bleiben.
5. Für persönliche Teilnahme können gute Gründe sprechen
So können gute Gründe dafürsprechen, von einer Videokonferenz abzusehen und persönlich zu erscheinen. Spontanität, Körpersprache, nonverbale Kommunikation und körperliche Reaktionen gehen oftmals aufgrund der Distanz verloren. Gebärden, Gesichtsausdruck, Gestikulieren und körperliche Bewegungen außerhalb des Kamerafeldes kommen bei einer Videoübertragung in vielen Fällen, gewollt oder ungewollt, nicht an. Persönlicher Ausdruck besteht nicht nur aus Worten, sondern ebenso aus Gestik und Mimik. Diese führen häufig zu Reaktionen, welche dem Prozess dienlich sind. Darüber hinaus sieht so mancher Mandant erst in der direkten Konfrontation das Erfordernis, unangenehme oder schwierige Themen anzusprechen.
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 11/2023, S. 508 - 509