1. Allgemeines
Gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 SGB XII hat die Antragstellerin neben ihrem verfügbaren Einkommen ihr gesamtes zumutbar verwertbares Vermögen einzusetzen. Es kommt dabei grds. nur das Vermögen der Antragstellerin selbst in Betracht (Lissner/Dietrich/Schmidt, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., 2022, Rn 74). In dem für die Bewilligung von VKH maßgebenden § 115 ZPO selbst ist eine gesetzliche Definition des Vermögensbegriffs nicht enthalten. In § 115 Abs. 3 ZPO wird auf § 90 SGB XII verwiesen. Hiernach sind die sozialrechtlichen Vorschriften entsprechend anzuwenden. Das Gericht ist hierbei jedoch nicht zwingend an die sozialrechtliche Auslegung der Begriffe gebunden (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 75). Ein Zugriff auf das gesamte Vermögen wird in erster Linie nach der jeweiligen Verwertbarkeit und der Zumutbarkeit seines Einsatzes bewertet. Es gilt dabei das sog. Bruttoprinzip. Dies bedeutet, dass keine Saldierung von Aktiva oder Passiva erfolgt, sondern die Bewertung muss sich immer auf den konkret zu verwertenden Vermögensgegenstand beziehen.
2. Einzusetzendes Vermögen aus Verwertungserlös von Schonvermögen
Vorliegend hatte die Antragstellerin aus dem Verkauf des Hauses im Oktober 2020 für ihren 1/2-Miteigentumsanteil einen Erlös i.H.v. jedenfalls 65.000,00 EUR erhalten. Laut eigenen Angaben hat diese u.a. mit diesem Erlös ein Mehrfamilienhaus erworben, das sie teilweise selbst bewohnt und auch teilweise vermietet, sodass der damals erworbene Erlös nicht mehr als verwertbares Vermögen vorhanden war.
Grds. ist gem. § 90 Abs. 1 SGB XII zum Zeitpunkt der Entscheidung über den VKH-Antrag das gesamte vorhandene verwertbare Vermögen einzusetzen. Die Zumutbarkeit und Verwertbarkeit ist hier durch das sog. Schonvermögen gem. § 90 Abs. 2 SGB XII beschränkt. Ein gemeinsames vorhandenes Hausanwesen, das selbst bewohnt wird, ist zunächst als Familienheim gem. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschützt und damit der Verwertung entzogen. Hierzu zählt natürlich auch der entsprechende Miteigentumsanteil. Vorliegend wurde das gemeinsame Hausanwesen jedoch im Oktober 2020 verkauft. Der durch eine Veräußerung eines an sich geschützten früheren Familienheims erzielte Verkaufserlös ist jedoch dann regelmäßig einzusetzendes Vermögen (OLG Brandenburg FamRZ 2020, 1021 = AGS 2020, 343; Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO/Reichling, 54. Ed., Stand 1.9.2024, § 115 Rn 66).
Dieser ist auch dann einzusetzen, wenn mit diesem erzielten Erlös ein neues angemessenes und auch geschütztes Hausgrundstück erworben wird und zu diesem Zeitpunkt bereits Prozesskosten entstanden sind (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 87).
3. Zurechnung fiktiven Vermögens
Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Bewilligung der VKH verfügt die Antragstellerin laut eigenen Angaben über kein einzusetzendes Vermögen. Im vorliegenden Fall war darüber hinaus die Frage zu entscheiden, ob die Antragstellerin sich zu diesem Zeitpunkt auf fiktives Vermögen als einzusetzendes Vermögen verweisen lassen muss. Hat die Antragstellerin zu einem Zeitpunkt, als sie wusste bzw. mit einer großen Wahrscheinlichkeit damit rechnen musste, dass ein Rechtstreit geführt werden muss und damit auch folglich Prozesskosten entstehen werden, ihre Hilfebedürftigkeit durch eine offensichtliche Vermögensverschiebung vorsätzlich herbeigeführt, aber auch sich in der Kenntnis des bevorstehenden Rechtsstreits ihres Vermögens entäußert oder mit dem Vermögen Ausgaben getätigt, für die keine dringende Notwendigkeit bestand, so gilt sie weiterhin als vermögend und VKH scheidet damit aus (BGH FamRZ 2018, 1525; Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 22). Weiterhin muss sie in ihrem Antrag glaubhaft und nachvollziehbar darlegen, warum ihr früher zur Verfügung stehende erhebliche Geldbeträge zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Bewilligung der VKH nunmehr nicht mehr zur Verfügung stehen (Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO/Reichling, a.a.O., § 115 Rn 88a). Diese Ausführungen müssen dabei ein hinreichendes Maß an Plausibilität erreichen. Es muss dabei der Verdacht ausgeräumt werden, dass die Antragstellerin ihre Geldmittel zur Seite geschafft hat oder in Kenntnis des bevorstehenden Rechtsstreits sich des Vermögens durch unangemessene Ausgaben entäußert hat, für die keine notwendige Dringlichkeit bestand (BGH FamRZ 2008, 1163 ff.). Denn anderenfalls ist das Begehren der Antragstellerin nach staatlicher Prozessfinanzierung rechtsmissbräuchlich. Vorliegend hat die Antragstellerin dargelegt, dass sie zum Zeitpunkt des Erhalts des Vermögens aus dem Verkauf des Hauses mit einer Gesamteinigung mit dem Antragsgegner bezüglich des hier im Verfahren zu klärenden Unterhaltsanspruchs aufgrund eines parallel betriebenen Verfahrens wegen einem Gesamtschuldnerausgleich eine Gesamteinigung finden würde.
Diese einseitige Erwartung auf Seiten der Antragstellerin ändert jedoch nichts daran, dass sie zu diesem Zeitpunkt trotz der Tatsache, dass sie ihre Forderungen für berechtigt hält, die Möglichke...