Leitsatz
Eine Terminsgebühr bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entsteht nur für den Anwalt, dessen Partei den Antrag auf mündliche Verhandlung stellen kann. Soweit eine Partei aufgrund des Gerichtsbescheids in vollem Umfang obsiegt, entsteht für ihren Anwalt keine Terminsgebühr.
Schleswig-Holsteinisches VG, Beschl. v. 13.11.2015 – 12 A 30/15
1 Sachverhalt
Die Erinnerungsführer wurden durch ihren Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigtem in vorbezeichneter asylrechtlicher Verwaltungsrechtssache gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Schleswig-Holsteinischen VG vertreten. Das Gericht gab der Klage durch mittlerweile rechtskräftigen Gerichtsbescheid vollumfänglich statt. In der Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheids wurde auf die Möglichkeit des Antrags auf Zulassung der Berufung sowie auf mündliche Verhandlung hingewiesen.
Die Erinnerungsführer beantragten daraufhin die Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die zu erstattenden Kosten ohne die geforderte Terminsgebühr fest. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen darauf, dass es beim vollständigen Obsiegen an einer Beschwer fehle und die Kläger deshalb keinen Rechtsbehelf einlegen könnten. Die Zurückweisung gleichwohl eingelegter Rechtsbehelfe bedürfe keines Urteils (und damit einer die Gebühr auslösenden mündlichen Verhandlung), sondern könne auch durch Beschluss erfolgen. Unter Hinweis auf VG Regensburg, Beschl. v. 30.3.2015 – RO 9 K 15.50006 wies er darauf hin, dass es dem von § 84 VwGO grundsätzlich intendierten Beschleunigungs- und Entlastungszweck widerspreche, wenn ein Beteiligter auch bei offensichtlichem Fehlen der Gründe für das Verlangen auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung das Gericht gleichwohl dazu zwingen könnte.
Die Erinnerungsführer haben die Entscheidung des Gerichts beantragt. Sie tragen im Wesentlichen vor, dass sie auf mündliche Verhandlung verzichtet hätten.
2 Aus den Gründen
Die in Ermangelung einer Abhilfe statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung, § 11 Abs. 3 S. 2 RVG i.V.m. §§ 165, 151, 148 Abs. 1 VwGO) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist unbegründet.
Der Urkundsbeamte hat zu Recht keine Terminsgebühr als Vergütungsbestandteil festgesetzt.
Nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV entsteht die Terminsgebühr (auch), wenn (1.) nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO oder § 105 Abs. 1 S. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und (2.) eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann.
Es ist vorliegend zwar durch Gerichtsbescheid entschieden worden und der Wortlaut von § 84 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 78 Abs. 7 AsylG und die entsprechend im Gerichtsbescheid erteilte Belehrung mögen auf den ersten Blick dafür sprechen, dass auch die zweite Voraussetzung vorliegt. Allerdings – und insoweit ist der Wortlaut nicht eindeutig – ist nicht klar, ob damit lediglich die rein tatsächliche Möglichkeit der Stellung eines Antrages auf mündliche Verhandlung gemeint ist oder ob nicht vielmehr die Antragstellung auch potentiell zu einer mündlichen Verhandlung führen können muss.
Die gesetzliche Begründung zur Anpassung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV (BT-Drucks 17/11471, S. 275) offenbart, dass nach dem gesetzgeberischen Willen die Entstehung einer fiktiven Terminsgebühr auf solche Fälle beschränkt werden soll, in denen der Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann.
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Kläger haben vollständig obsiegt. In einem solchen Fall besteht bereits nicht die Erforderlichkeit, auf einen etwaigen entsprechenden Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Ablehnung eines – mangels Rechtsschutzbedürfnisses offensichtlich unzulässigen – Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung muss nicht notwendigerweise durch Urteil erfolgen. Das Gericht kann den Antrag bei einem solchen Sachverhalt durch Beschluss in entsprechender Anwendung von § 125 Abs. 2 S. 1 und 2 VwGO als unzulässig verwerfen (vgl. VG Regensburg, Beschl. v. 30.3.2015 – RO 9 K 15.50006 m.w.N.; BFH, Beschl. v. 27.3.2013 – IV R 51/10, ferner Geiger, in: Eyermann, VwGO, § 84 Rn 21; Kunze, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, § 84 Rn 13; anderer Ansicht: Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, 28. EL 2015, § 84 VwGO Rn 43; Kopp/Schenke, VwGO, § 24 Rn 39).
Die hier vertretene Auffassung wird durch die teleologische Auslegung gestützt. Der Gerichtsbescheid dient einer ökonomischen und sparsamen Verfahrensführung und -beendigung. Er erspart vor allem die Zeit, die Gericht und Beteiligte in eine mündliche Verhandlung investieren müssten, obwohl kein entsprechender Verhandlungsbedarf besteht, da – so die Voraussetzungen einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid – der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist. Es wäre mit diesem von § 84 VwGO intendierten Beschleunigungs- und Entlastungszweck nicht zu vereinbaren, wenn ein Beteiligter auch bei offensichtli...