Leitsatz
Beauftragt der Vermieter eines vermieteten Grundstücks (hier zum Betrieb eines Hotels), der dieses unvermietet verkaufen möchte, einen Rechtsanwalt, den Mietvertrag auf Kündigungsmöglichkeiten zu prüfen und gegebenenfalls die Kündigung auszusprechen, so bemisst sich der Gegenstandswert für die Vergütung des Rechtsanwalts nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 41 Abs. 1 GKG, auch wenn es wegen der Beendigung des Mandats nicht mehr zur Kündigungserklärung kommt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 14.3.2007 – VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050 [= AGS 2007, 289] u. Urt. v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06, NJW 2008, 1888 [= AGS 2008, 107]); ein Fall des § 23 Abs. 3 S. 1 RVG i.V.m. § 99 Abs. 1 GNotKG liegt nicht vor.
OLG München, Urt. v. 12.10.2016 – 15 U 2340/16 Rae
1 Sachverhalt
Der Beklagte war Eigentümer eines Grundstücks in München, das zum Teil aufgrund des Mietvertrags als Hotel vermietet war. Nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LG beabsichtigte der Beklagte, das Grundstück zu veräußern, und gab in diesem Rahmen bei der Klägerin im April 2014 jedenfalls eine umfassende Prüfung des Mietvertrages in Hinblick auf dessen Beendigung in Auftrag. In den Gründen führte das LG näher aus, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die klägerische Kanzlei "im Wege des Mietvertrages" prüfen sollte, ob eine Kündigung des Mietvertrages möglich sei und zwar unter jeglichem Gesichtspunkt, sei es aufgrund von Fragen des Schriftformerfordernisses, sei es aufgrund herbeiführbarer Kündigungsgründe im Hinblick auf Zahlungsrückstände oder Verletzung von Nebenpflichten aus dem Mietvertrag, wie beispielsweise Instandhaltungspflichten. Das Mandat der Klägerin endete, ohne dass eine Kündigung des Mietvertrages erklärt wurde.
Das LG bestimmte den Gegenstandswert gem. § 23 Abs. 3 RVG nach der Wertermittlungsvorschrift des § 99 Abs. 1 GNotKG und gelangte so zu einem Gegenstandswert von 3.840.000,00 EUR. Dabei stützte es sich auf die Ausführungen des BGH im Beschl. v. 25.2.2015 (XII ZB 608/13 [= AGS 2015, 214]).
Dagegen wendet sich der Beklagte, der meint, dass sich der Gegenstandswert über § 23 Abs. 1 S. 3 RVG nach § 41 Abs. 1 GKG bestimme, und beruft sich dabei auf das Urteil des BGH v. 14.3.2007 (VIII ZR 184/06 [= AGS 2007, 289]) u. v. 7.11.2007 (VIII ZR 341/06 [= AGS 2008, 107]). Der Beklagte gelangt damit zu einem Honoraranspruch der Klägerin in Höhe von nur noch 4.970,51 EUR.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg und führt zur beantragten Abänderung des landgerichtlichen Urteils.
1. Die Vergütung der Klägerin ist dem Grunde nach entstanden.
Die Vergütung der Klägerin ist nach §§ 13, 14 RVG i.V.m. Nr. 2300 VV in Form einer Geschäftsgebühr entstanden. Nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien war die Tätigkeit der Klägerin nicht als eine bloße Beratung des Beklagten (vgl. § 34 RVG) angelegt, sondern sollte auch die Vertretung des Beklagten nach außen hin umfassen. Die Klägerin ist auch aufgrund des Auftrags tätig geworden, womit die Gebühr in voller Höhe angefallen ist (§ 15 Abs. 4 RVG). Der Ansatz einer 1,3-Gebühr wird vom Beklagten mit der Berufung nicht weiter angegriffen.
2. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Klägerin bestimmt sich nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 41 GKG.
Der nach § 22 RVG für die Berechnung der Anwaltsvergütung maßgebliche Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit bestimmt sich nach § 23 RVG. Im gerichtlichen Verfahren bestimmt sich der Gegenstandswert nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG). Das gilt sinngemäß auch für die anwaltliche Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte (§ 23 Abs. 1 S. 3 RVG). Unerheblich ist dabei, ob die anwaltliche Tätigkeit einem gerichtlichen Verfahren vorausgeht oder ein gerichtliches Verfahren vermeidet (Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., § 23 Rn 13). Für eine anwaltliche Tätigkeit gilt nur dann nicht die für Gerichtsgebühren maßgebliche Wertvorschrift, wenn die Tätigkeit des Anwalts überhaupt nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte (sog. andere Angelegenheit nach § 23 Abs. 3 S. 1 RVG). Vorliegend fällt die Tätigkeit der Klägerin, zu der sie im April 2014 vom Beklagten beauftragt wurde, unter § 23 Abs. 1 S. 3 RVG und nicht unter § 23 Abs. 3 S. 1 RVG.
a) Das Ziel des anwaltlichen Mandats der Klägerin war, den Mietvertrag zu untersuchen, um einen rechtlich belastbaren Weg zu finden, diesen im Wege einer Kündigung zu beenden, damit der Beklagte ein geräumtes Grundstück (zu einem besseren Preis) verkaufen konnte. Das mit der Beauftragung der Klägerin erklärte Ziel des Beklagten war damit, die Räumung des Grundstücks zu erreichen, was auch in einem gerichtlichen Verfahren geklärt werden könnte.
Nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG richten sich die Gebühren für die vorgerichtliche Tätigkeit und die Gebühren in einem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach denselben Wertmaßstäben, damit es zu keinen...