FamFG § 155 Abs. 2 S. 1; BGB 1671; RVG VV Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104

Leitsatz

Wird in einem Verfahren der elterlichen Sorge im Einverständnis mit den Beteiligten ohne Termin entschieden, so entsteht gem. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV eine Terminsgebühr, da in einem solchen Verfahren die Durchführung eines Erörterungstermins vorgeschrieben ist.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.9.2010–8 WF 133/10

Sachverhalt

In dem am 9.10.2009 eingeleiteten Verfahren beantragte der Antragsteller, ihm die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind zu übertragen. Die Antragsgegnerin stimmte dem Sorgerechtsantrag des Antragstellers zu. Angesichts dessen traf das FamG im Einvernehmen mit den Verfahrensbeteiligten eine Entscheidung über den Sorgerechtsantrag des Antragstellers ohne Durchführung eines Termins und übertrug dem Antragsteller die elterliche Sorge. Mit Beschluss vom selben Tage bewilligte das Gericht dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten.

Diese beantragte anschließend, die aus der Staatskasse ihr zu zahlende Vergütung festzusetzen, darunter auf eine 1,2-Termingebühr gem. Nr. 3104 VV. Das FamG setzte die Terminsgebühr unter Hinweis darauf ab, dass eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden habe.

Auf die Erinnerung der Beschwerdegegnerin änderte der Familienrichter den Festsetzungsbeschluss dahingehend ab, dass für die Beschwerdegegnerin auch die Terminsgebühr festzusetzen sei.

Gegen diese Entscheidung legte der Bezirksrevisor namens der Staatskasse Beschwerde ein und begründete diese damit, dass in Verfahren, welche die elterliche Sorge als Ganzes betreffen, bei denen aber der Aufenthalt bereits gefestigt sei, sei eine mündliche Verhandlung i.S.v. § 155 Abs. 1 und 2 FamFG nicht zwingend vorgeschrieben.

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

Weil das vorliegende Hauptsacheverfahren nach dem 31.8.2009 eingeleitet wurde, finden die Vorschriften über das Verfahren in Kindschaftssachen (§§ 151 bis 168a) des FamFG Anwendung. Nach § 155 Abs. 1 FamFG sind Verfahren, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls vorrangig und beschleunigt durchzuführen. Nach Abs. 2 S. 1 der Vorschrift erörtert das Gericht in den genannten Verfahren die Sache mit den Beteiligten in einem Termin, welcher spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden soll. Entgegen der Ansicht des Bezirksrevisors fallen auch Verfahren, welche die Regelung der elterlichen Sorge insgesamt betreffen, unter diese Vorschrift. Dies ergibt sich hier aus § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB. Danach kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das FamG die elterliche Sorge oder einen Teil derselben allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, dass das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat und der Übertragung widerspricht. Dieser Ausnahmefall ist hier bereits angesichts des Alters des Kindes nicht gegeben. Findet eine Teilübertragung der elterlichen Alleinsorge als milderes Mittel nicht statt, so umfasst die Übertragung der Alleinsorge auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht, welches gem. § 1631 Abs. 1 BGB Teil des Personensorgerechts der Eltern ist. Die Versagung der Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV kann daher nicht mit der durch den Bezirksrevisor herangezogenen Begründung erfolgen, es liege keiner der in § 155 Abs. 1 FamFG genannten Verfahrensgegenstände vor. Vielmehr umfasst der Antrag auf Übertragung der vollständigen Alleinsorge auf den Antragsteller auch den Aufenthalt des Kindes, welchen nach dem hier gegebenen Verfahrensausgang der Antragsteller künftig alleine zu bestimmen befugt ist. Wäre der Aufenthalt von ... auch für die Zukunft vollständig außer Frage gestanden, so hätte es eines Antrags auf Übertragung der elterlichen Sorge als Ganzes nicht bedurft. Vielmehr hätte die Übertragung einzelner Bestandteile wie der Vermögenssorge oder des Entscheidungsrechts in Fragen der Gesundheitsfürsorge oder der schulischen Ausbildung genügt.

Gem. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV entsteht eine Terminsgebühr auch dann, wenn in einem Verfahren die mündliche Verhandlung vorgeschrieben, diese jedoch im Einverständnis mit den Beteiligten unterblieben ist. Allerdings wurde nach der bis 31.8.2009 geltenden Rechtslage überwiegend abgelehnt, in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu welchen auch Sorgerechtsverfahren gehören, Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV anzuwenden (OLG Stuttgart/Senat FamRZ 2007, 233 [= AGS 2007, 503]; OLG Düsseldorf OLGR 2009, 364 [= AGS 2009, 114]; OLG Köln OLGR 2009, 126 [= AGS 2008, 593]; OLG Braunschweig AGS 2009, 442; anders OLG Schleswig AGS 2007, 52). Dem folgt der Senat für Verfahren, die nach Inkrafttreten des FamFG eingeleitet wurden, nicht mehr, weil in den genannten Verfahren die Durchführung eines Termins im Regelfall vorgeschrieben ist.

Die Gegenansicht stützt sich darauf, dass in § 155 Abs. 2 S. 1 FamFG nicht der Begriff der mündlichen Verhandlung sondern vielmehr der Erört...

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