Leitsatz (amtlich)
In einem Verfahren auf Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge (§ 1671 BGB) entsteht für den Rechtsanwalt keine Terminsgebühr, wenn das Familiengericht ohne Termin entscheidet.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 06.07.2012; Aktenzeichen 150 AR 71/12, 138 F 1314/12) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 6.7.2012 wird zurückgewiesen.
Gründe
Das zulässige Rechtsmittel der Beteiligten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu ihren Gunsten ist eine Terminsgebühr nicht festzusetzen.
Da im vorliegenden Sorgerechtsverfahren ein Termin nicht stattgefunden hat, kommt allein das Entstehen einer Terminsgebühr nach der amtlichen Anmerkung (1) Nr. 1 zu Nr. 3104 VV-RVG in Betracht. Auch ohne dass ein gerichtlicher Termin stattgefunden hat, entsteht danach die volle Terminsgebühr, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist,
entschieden wird.
In Literatur und Rechtsprechung wird teilweise mit durchaus beachtlichen Gründen die Ansicht vertreten, dass durch die Wortwahl "mündliche Verhandlung" die Anwendung des Gebührentatbestandes auf Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht ausgeschlossen wird (so z.B. OLG Stuttgart NJW 2010, 3524; OLG Rostock AGS 2011, 588; Zöller/Lorenz, 29. Aufl., § 155 FamFG Rz. 5; a.A. OLG Celle FamRZ 2011, 590; OLG München AGS 2012, 134; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 20. Aufl., Nr. 3104 Rz. 29). Hier kann offen bleiben, ob dieser Ansicht zu folgen ist. Denn vorliegend fehlt es bereits an dem Tatbestandsmerkmal, dass eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist.
In den Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit bedarf es nach dem Grundsatz des § 32 Abs. 1 FamFG nicht notwendig eines Termins. Eine Ausnahme gilt gem. § 155 Abs. 2 Satz 1 FamFG in den Kindschaftssachen, die den Aufenthalt, den Umgang oder die Herausgabe des Kindes sowie Entscheidungen wegen Gefährdung des Kindeswohls betreffen. In diesen Verfahren hat das Gericht nach dem deutlichen Wortlaut der Vorschrift die Sache mit den Beteiligten mündlich zu erörtern (vgl. z.B. Keidel/Engelhardt, 17. Aufl., § 155 FamFG Rz. 7), so dass eine entsprechende Anwendung von Nr. 3104 RVG-VV in Betracht kommt (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.; KG - 19. ZS -, FamRZ 2011, 19781 = RVGreport 2011, 306 (Hansens)).
In den von § 155 Abs. 2 FamFG nicht erfassten übrigen Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, somit auch in den übrigen Kindschaftssachen, ist eine Anwendung von Nr. 3104 Anm. (1) Nr. 1 RVG-VV hingegen nicht gerechtfertigt. Das FamFG unterscheidet zwischen Terminen, die lediglich durchgeführt werden "sollen" (§§ 157 Abs. 1, 207, 221 Abs. 1 FamFG) und solchen, die notwendig durchzuführen sind (§ 155 Abs. 2 FamFG). Wenn das FamFG die Durchführung einer mündlichen Erörterung aber nicht notwendig vorsieht, kann eine solche nicht als "vorgeschrieben" im Sinne von Nr. 3104 Anm (1) Nr. 1 RVG-VV angesehen werden. Dementsprechend wird die Anwendung dieses Tatbestandes für Versorgungsausgleichssachen, in denen das Gericht die Sache gem. § 221 Abs. 1 FamFG nur erörtern "soll", mit Recht abgelehnt (so z.B. KG - 19. ZS -, a.a.O.; OLG Jena FamRZ 2012, 329; OLG Rostock, AGS 2011, 588).
Das vorliegende Sorgerechtsverfahren ist nicht von § 155 FamFG umfasst ist. Eine Streitigkeit über den Aufenthalt des Kindes liegt nicht vor, wenn die Eltern allein darüber streiten, ob die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben werden soll (vgl. z.B. Stößer in Prütting/Helms, 2. Aufl., § 155 Rz. 3).
Fundstellen
FamRZ 2013, 730 |
FPR 2012, 8 |
Rpfleger 2013, 53 |