Einführung
Von der Möglichkeit, die in Nr. 1009 VV geregelte Hebegebühr gegenüber dem Mandanten abzurechnen, wird häufig abgesehen. Dies dürfte zum einen im Zusammenhang damit stehen, dass Anwälte sich bisher regelmäßig nicht mit der Hebegebühr beschäftigt haben und folgerichtig gar nicht wissen, dass sie für Auszahlung und Rückzahlung entgegengenommener Gelder nach dem RVG Gebühren verlangen können. Diejenigen Anwälte, die um die Möglichkeit wissen, sehen oftmals von der Abrechnung der insoweit ausgelösten Gebühren ab, um das Unverständnis ihrer Auftraggeber über das Entstehen der Gebühr abzuwenden. Anwälte sollten sich aber grundsätzlich dazu durchringen – sie sind schließlich ja auch dazu verpflichtet –, entstandene Hebegebühren gegenüber ihrem Auftraggeber abzurechnen. Dies muss erst recht für den Fall gelten, dass im Rechtsstreit eine Erstattungsfähigkeit dieser Gebühren in Betracht kommen und deshalb im Kostenfestsetzungsverfahren gegenüber dem Gegner festgesetzt werden kann. Deshalb soll nachfolgend im Rahmen eines Überblicks das Entstehen und die Erstattungsfähigkeit der Hebegebühr dargestellt werden.
I. Allgemeines
1. Überblick
Die Hebegebühr (Nr. 1009 VV) kann der Anwalt für die Auszahlung oder Rückzahlung von entgegengenommenen Geldern erheben (Anm. Abs. 1 zu Nr. 1009 VV). Nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 1009 VV stehen an den Rechtsanwalt überlassene unbare Zahlungen baren Zahlungen gleich. Ist das Geld in mehreren Beträgen gesondert ausgezahlt oder zurückgezahlt worden, dann kann die Gebühr von jedem Betrag gesondert erhoben werden. Anm. Abs. 2 S. 2 zu Nr. 1009 VV bestimmt als zulässig, die Hebegebühr unmittelbar aus dem erhaltenen Betrag entnehmen und abführen zu dürfen. Auch für die Ablieferung oder Rücklieferung von Wertpapieren und Kostbarkeiten entsteht die in den Abs. 1 bis 3 bestimmte Gebühr nach dem entsprechenden Wert des Papiers bzw. der Kostbarkeit (Anm. Abs. 4 zu Nr. 1009 VV).
Soweit allerdings lediglich Kosten an ein Gericht oder eine Behörde weitergeleitet, vereinnahmte Kosten an den Auftraggeber abgeführt oder eingezogene Beträge auf die Vergütung verrechnet werden, so wird die Hebegebühr grundsätzlich nicht ausgelöst (Anm. Abs. 5 zu Nr. 1009 VV).
2. Keine Anrechnung auf andere Gebührentatbestände
Im Übrigen entsteht die Hebegebühr unabhängig von anderen Gebühren und ist folgerichtig auf eine anderweitig anfallende Gebühr auch nicht anzurechnen. Die Weiterleitung entgegengenommener Zahlungen durch den Anwalt stellt vielmehr eine selbstständige Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG dar.
3. Anwendungsbereich
Die Vorschrift der Nr. 1009 VV gilt für alle Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 RVG fallen. Insoweit der Anwalt Vormund, Betreuer, Verfahrenspfleger, Verfahrensbeistand etc. ist, ist Nr. 1009 VV deshalb nicht anwendbar. Das gilt auch für den Rechtsanwalt, der als Notar tätig wird und in dieser Eigenschaft Gelder verwahrt. Allerdings stehen dem Notar für die Auszahlung oder Rückzahlung entgegengenommener Gelder der Höhe nach dieselben Hebegebühren auf der Grundlage des § 149 KostO zu. Nach Art. IX RpflAnpG soll die Vorschrift der Nr. 1009 VV auf den Rechtsbeistand aber entsprechend anzuwenden sein.
4. Keine Änderung durch das 2. KostRMoG
Während sich die Anwaltsgebühren im Übrigen bis zum beabsichtigten Inkrafttreten des 2. KostRMoG am 1.7.2013 erhöhen, werden die Sätze der Hebegebühr nach den Nrn. 1 bis 3 zu 1009 VV unverändert in das KostRMoG übernommen. Unwesentliche Änderung ist lediglich die Ersetzung der Angaben von "EUR" in "EUR".
II. Entstehen der Hebegebühr
1. Weiterleitung und Auszahlung sind maßgeblich
Die Hebegebühr entsteht grundsätzlich mit der Weiterleitung, also der Auszahlung vereinnahmten Geldes und nicht bereits mit dem Entgegennehmen des Betrages.
2. Auftrag
Erforderlich ist ein Auftrag zur Auszahlung oder Rückzahlung entgegengenommener Gelder, der regelmäßig konkludent erteilt wird. Von einer konkludenten Auftragserteilung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Anwalt mit der Beitreibung und Einziehung von Forderungen beauftragt worden ist oder der Auftrageber dem Anwalt Geld zur Weiterleitung übergibt. Es kommt für das Entstehen der Gebühr auch nicht darauf an, von wem Beträge an den Anwalt überlassen werden und an wen sie weitergeleitet werden. Maßgeblich ist allein ihre auftragsgemäße Auszahlung an den Auftraggeber oder an einen Dritten. Deshalb kann die Hebegebühr in der Person des Anwalts auch dann entstehen, wenn Beträge selbst verauslagt und auftragsgemäß an einen Dritten oder den Auftraggeber weitergeleitet werden.
3. Mehrere Auftraggeber
Entsteht die Hebegebühr in der Person mehrerer Auftraggeber, so kann der Anwalt die Gebühr der Nr. 1009 VV nur in Höhe des jeweils an den Auftraggeber ausgezahlten Betrages von jedem einzelnen Auftraggeber verlangen.
4. Auszahlung in Teilbeträgen
Jede Auszahlung löst in Höhe des jeweiligen Teilbetrages die Hebegebühr gesondert aus.
5. Gesetzlicher Ausschluss der Hebegebühr
Anm. Abs. 5 zu Nr. 1009 VV regelt den gesetzlichen Ausschluss des Entstehens der Hebegebühr für den Fall, dass Kosten an ein Gericht oder eine Behörde weitergeleitet oder eingezogene Kosten an den Auftraggeber abgeführt oder eingezogene Beträge auf die Anwaltsvergütung verrechnet werden.
III. Höhe der Hebegebühr
1. Prozentsätze des aus- oder zurückgezahlten Betrages
Die Hebegebühr beträgt: