Wechselt eine Partei zwischen selbstständigem Beweisverfahren und Hauptsache ihren Anwalt, so werden dadurch höhere Kosten ausgelöst als bei Beauftragung desselben Anwalts, da dann die Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV (anrechnungsfrei) doppelt entsteht und verbleibt, während bei Beauftragung desselben Anwalts die Verfahrensgebühren nach § 15a Abs. 1 RVG, Vorbem. 3 Abs. 5 VV aufeinander anzurechnen sind, sodass bei gleich bleibendem Gegenstandswert eine der beiden Verfahrensgebühren letztlich wieder entfällt und das Gesamtaufkommen bei 1,3 verbleibt.

 

Beispiel

Der Anwalt führt ein Beweisverfahren mit einem Gegenstandswert i.H.v. 50.000,00 EUR. Es kommt zu einem Ortstermin, an dem der Anwalt teilnimmt. Hiernach kommt es zum Hauptsacheverfahren mit mündlicher Verhandlung.

a) Die Partei hat im Beweisverfahren und in der Hauptsache denselben Anwalt beauftragt.

b) Die Partei hat im Beweisverfahren und in der Hauptsache verschiedene Anwälte beauftragt.

Im Fall a) ist die Verfahrensgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 5 VV anzurechnen.

I. Beweisverfahren

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 50.000,00 EUR)   1.511,90 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 50.000,00 EUR)   1.395,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV    20,00 EUR
  Zwischensumme 2.927,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV    556,23 EUR
Gesamt   3.483,73 EUR

II. Hauptsacheverfahren

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 50.000,00 EUR)   1.511,90 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV anzurechnen   -1.395,60 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 50.000,00 EUR)   1.395,60 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV    20,00 EUR
  Zwischensumme 1.531.90 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV    291,06 EUR
Gesamt   1.822,96 EUR
Gesamt I. + II.     5.306,69 EUR

b) Anders verhält es sich, wenn für das Beweisverfahren und das Hauptsacheverfahren verschiedene Rechtsanwälte beauftragt werden. Dann entfällt die Anrechnung und beide Verfahrensgebühren entstehen mit einem Gesamtaufkommen von 2,6 gesondert. Ein Anwalt muss sich nämlich nur die Gebühren anrechnen lassen, die er selbst verdient hat, nicht die Gebühren eines anderen Anwalts.

I. Beweisverfahren

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 50.000,00 EUR)   1.511,90 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 50.000,00 EUR)   1.395,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV    20,00 EUR
  Zwischensumme 2.927,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV    556,23 EUR
Gesamt   3.483,73 EUR

II. Hauptsacheverfahren

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 50.000,00 EUR)   1.511,90 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 50.000,00 EUR)   1.395,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV    20,00 EUR
  Zwischensumme 2.927,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV    556,23 EUR
Gesamt   3.483,73 EUR
Gesamt I. + II.     6.969,46 EUR

Die Kosten bei Beauftragung verschiedener Anwälte liegen damit erheblich höher.

Lediglich dann, wenn zwischen Beweisverfahren und Hauptsache mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind, ergibt sich kein Unterschied, da dann auch bei demselben Anwalt nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG keine Anrechnung vorzunehmen wäre.[1]

Die ganz überwiegende Rechtsprechung geht davon aus, dass der Anwalt aus Gründen der Kostenerstattung verpflichtet sei, im Nachfolgenden Hauptsacheverfahren denselben Anwalt zu beauftragen wie im vorangegangenen selbstständigen Beweisverfahrenen, sodass die durch einen Anwaltswechsel ausgelösten Mehrkosten als nicht erstattungsfähig angesehen werden.

So hat das OLG Hamm[2] die Auffassung vertreten, schon bei der Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens müsse eine Partei regelmäßig damit rechnen, dass es auch zu einem Hauptsacheverfahren kommen werde, sodass sie zwecks Geringhaltung ihrer Kosten gehalten sei, einen Anwalt zu wählen, der sie in beiden Verfahren vertreten könne. Die Mehrkosten des Anwaltswechsels hat das Gericht daher als nicht erstattungsfähig angesehen.

Das OLG Koblenz[3] ist ebenfalls davon ausgegangen, dass ein Anwaltswechsel nach selbstständigem Beweisverfahren im Allgemeinen nicht notwendig sei. Es ist noch einen Schritt weiter gegangen und hat die Mehrkosten auch in dem Fall als nicht erstattungsfähig angesehen, in dem der Prozessgegner die Kosten des Rechtsstreits in Kenntnis des Anwaltswechsels übernommen hatte. Das Gericht ist davon ausgegangen, eine solche vergleichsweise Übernahme in Kenntnis des Anwaltswechsels sei im Regelfall dahin auszulegen, dass nur die notwendigen Kosten übernommen würden.

Das OLG Hamburg[4] hatte ebenso die Erstattungsfähigkeit verneint, dies allerdings schon damit begründet, es seien gar keine zwei Verfahrensgebühren angefallen; für eine Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 5 VV genüge es, dass der Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens auch Gegenstand des Rechtsstreites sei; eine Identität des in beiden Verfahren tätigen Rechtsanwalts wäre nicht zu fordern. Diese Auffassung wird aber – soweit ersichtlich – heute nicht mehr vertreten.

Das OLG Koblenz[5] ist wiederum ebenfalls davon ausgegangen, die...

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