Leitsatz
Wird zusammen mit einem Auftrag zur Einlegung eines Einspruchs bereits Klageauftrag erteilt, so handelt es sich lediglich um einen bedingten Klageauftrag, so dass für die Gebühren des Klageverfahrens bereits neues Recht anzuwenden ist, wenn die Bedingung für die Klageerhebung erst nach dem 31.7.2013 eingetreten ist.
FG Münster, Beschl. v. 17.9.2015 – 10 Ko 2261/15 KFB
1 Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Höhe der anzusetzenden Verfahrensgebühr.
Der Erinnerungsgegner begehrte mit seiner am 11.12.2014 erhobenen Klage die Bewilligung von Kindergeld, nachdem sein Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 28.8.2012 mit Einspruchsentscheidung vom 22.7.2014 als unbegründet zurückgewiesen worden war. Am 29.8.2012 hatte der Erinnerungsgegner seinem Prozessbevollmächtigten eine Vollmacht zur Vertretung in sonstigen Verfahren und zur Prozessführung erteilt.
Mit Bescheid vom 26.5.2015 änderte die Erinnerungsführerin den Ablehnungsbescheid ab und setzte volles Kindergeld fest. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung im Hinblick auf die Änderungszusage der Erinnerungsführerin wurden der Erinnerungsführerin mit Beschluss des Berichterstatters die Kosten des Verfahrens auferlegt und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss setzte die Kostenbeamtin die von der Erinnerungsführerin an den Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten auf 794,92 EUR fest. Dabei legte die Kostenbeamtin entsprechend dem Kostenfestsetzungsantrag eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV in Höhe von 648,00 EUR zugrunde. Hiergegen legte die Erinnerungsführerin Erinnerung ein mit der Begründung, dass bei der Ermittlung der festzusetzenden Kosten das RVG in der vor dem 1.8.2013 geltenden Fassung Anwendung finden müsse. Die Kostenbeamtin half der Erinnerung nicht ab.
Die Erinnerungsführerin trägt u.a. vor, dass es sich bei Einspruchs- und Klageverfahren zwar um verschiedene Angelegenheiten i.S.d. einschlägigen Vorschriften des RVG handele, der Erinnerungsgegner aber bereits vor Inkrafttreten der Neuregelungen des RVG einen unbedingten Auftrag zur Klageerhebung vor dem Finanzgericht erteilt habe, weshalb nach der Übergangsvorschrift des § 60 RVG das RVG in der vor dem 1.8.2013 geltenden Fassung Anwendung finden müsse.
2 Aus den Gründen
Die Erinnerung ist unbegründet. Die zu erstattenden Kosten wurden zutreffend auf 794,92 EUR festgesetzt.
Für die Höhe der zu erstattenden Kosten ist das RVG in der ab dem 1.8.2013 geltenden Fassung anzuwenden. In der ab dem 1.8.2013 geltenden Fassung des RVG beträgt eine 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV 648,00 EUR.
Nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG in der ab dem 1.8.2013 geltenden Fassung ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist. Nach S. 2 der Vorschrift ist, wenn der Rechtsanwalt im Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Gesetzesänderung bereits tätig ist, die Vergütung für das Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist, nach neuem Recht zu berechnen.
Gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1a RVG handelt es sich bei Einspruchs- und finanzgerichtlichem Klageverfahren um verschiedene Angelegenheiten. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Der unbedingte Auftrag zur Erhebung der finanzgerichtlichen Klage wurde nach Aktenlage vom Erinnerungsgegner erst nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 22.7.2014 und damit nach Inkrafttreten der Neuregelungen des RVG am 1.8.2013 erteilt. Dem steht nicht entgegen, dass der Erinnerungsgegner seinem Prozessbevollmächtigten eine Vollmacht zur Vertretung in sonstigen Verfahren und zur Prozessführung erteilt hatte. Die Vollmacht betrifft die wirksame außerprozessuale und prozessuale Vertretung im Außenverhältnis. Hiervon zu unterscheiden ist, ob auch im Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant letzterer den unbedingten Auftrag zur Klageerhebung erteilt hat. Eine endgültige – unbedingte – Entscheidung über die Erhebung einer finanzgerichtlichen Klage kann in aller Regel erst nach Abschluss des Einspruchsverfahrens getroffen werden, da erst dann feststeht, in welchem Umfang die ursprüngliche Entscheidung der Behörde aufrechterhalten wird. Im Zweifel ist deshalb von einem aufschiebend bedingten Klageauftrag auszugehen, da sonst das außergerichtliche Tätigwerden wenig Sinn machen würde (Mayer/Kroiß-Klees, RVG, 5. Aufl. 2012, § 60 Rn 10). Selbst wenn die Vollmachterteilung im Streitfall zugleich als Auftragserteilung zur Klageerhebung auszulegen wäre, wäre diese Auftragserteilung zumindest durch die vollständige oder teilweise Erfolglosigkeit des Einspruchsverfahrens bedingt. Wird ein Rechtsanwalt mit außergerichtlicher Tätigkeit vor dem Stichtag und mit gerichtlicher Tätigkeit nach dem Stichtag beauftragt, gilt für die außergerichtliche Tätigkeit altes und für die gerichtliche Tätigkeit ...