Leitsatz

  1. Wird eine einstweilige Verfügung im Beschlussweg erlassen, so verjährt der sich hieraus ergebende titulierte Kostenerstattungsanspruch nach Ablauf von drei Jahren seit Erlass des Beschlusses.
  2. Die Zustellung eines darauf basierenden Kostenfestsetzungsantrags an den erstattungspflichtigen Gegner hemmt in entsprechender Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB den Ablauf der Verjährung.

OLG Hamburg, Beschl. v. 4.9.2015 – 8 W 83/15

1 Aus den Gründen

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos. Zu Recht hat die Rechtspflegerin die von der Antragsgegnerin erhobene Einrede der Verjährung gegen den übrigen nicht streitigen Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerin nicht durchgreifen lassen.

1. Bei der Einrede der Verjährung handelt es sich zwar um einen materiell-rechtlichen Einwand gegen den prozessualen Kostenerstattungsanspruch, er kann jedoch auch im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigungsfähig sein, wenn keine Tatsachenaufklärung erforderlich ist bzw. die im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mittel zur Prüfung der Berechtigung des Einwands ausreichen (BGH, Beschl. v. 23.3.2006 – V ZB 189/05 [= AGS 2007, 219]). So liegt es hier.

2. Zutreffend ist die Rechtspflegerin in ihrem Nichtabhilfebeschluss davon ausgegangen, dass der in der einstweiligen Verfügung des LG titulierte Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerin der dreijährigen Verjährung nach § 195 BGB unterliegt. Zwar hat der BGH in dem oben bereits zitierten Beschluss auch entschieden, dass die Verjährungsfrist des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs aufgrund einer rechtskräftigen Kostengrundentscheidung 30 Jahre beträgt, und zwar in Anwendung der Bestimmung des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Vorliegend ist die Kostengrundentscheidung jedoch in einer im Beschlusswege erlassenen einstweiligen Verfügung enthalten, gegen die gem. den §§ 936, 924 ZPO unbefristet Widerspruch erhoben werden kann. Eine formelle Rechtskraft entfaltet dieser Beschluss daher nicht (Wieczorek/Schütze-Thümmel, ZPO, 4. Aufl., vor § 916 Rn 16). Dementsprechend liegt keine rechtskräftige Kostengrundentscheidung i.S.d. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB vor (vgl. auch Jauernig/Mansel, BGB, 15. Aufl., Rn 6).

3. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerin ist – aufschiebend bedingt – mit der Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung am 7.10.2010 entstanden (BGH a.a.O.). Zutreffend hat die Rechtspflegerin angenommen, dass die Parteien sich darauf verständigt hatten, dass das vorliegende Verfahren – ebenso wie die beiden Parallelverfahren des LG – bis zum Abschluss eines Musterverfahrens ruhen sollte. Eine solche Vereinbarung hat die Antragstellerin durch Vorlage der zwischen den Parteien gewechselten Korrespondenz, der unstreitigen tatsächlichen Handhabung der Verfahren und insbesondere auch durch die Vorlage der Telefonnotiz belegt. Die Vereinbarung beinhaltete nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der Rechtspflegerin, dass auch die Verjährungsfristen für Kostenerstattungsansprüche aus den "stillgelegten" drei Verfügungsverfahren gehemmt sein sollten. Da das sog. Musterverfahren bis heute noch nicht abgeschlossen ist, war die Antragstellerin nicht durch den Eintritt der Verjährung gehindert, ihren Kostenerstattungsanspruch aus dem vorliegenden Verfahren im Wege der Kostenfestsetzung jedenfalls titulieren zu lassen.

4. Selbst wenn man der Auffassung der Rechtspflegerin zur Reichweite der "Ruhensvereinbarung" nicht folgen wollte, wäre vorliegend zum Zeitpunkt des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrags am 5.3.2015 noch keine Verjährung des Kostenerstattungsanspruchs eingetreten. Denn der Lauf der Verjährung war gem. § 203 BGB für einen erheblichen Zeitraum gehemmt:

Die Verjährung des Kostenerstattungsanspruchs war zunächst gem. § 204 Abs. 2 BGB bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Erlass der einstweiligen Verfügung am 8.10.2010 gehemmt, d.h. bis zum 8.4.2011 (BGH a.a.O.). Die dreijährige Verjährungsfrist aus § 195 BGB wäre somit am 8.4.2014 abgelaufen. Die Antragstellerin hat jedoch belegt, dass die Parteien zumindest seit dem 26.6.2012 bis zum 12.3.2013 auch über das vorliegende Verfahren als Teil des sog. dritten Streitkomplexes verhandelten. Angesichts des Umfangs der verschiedenen Streitpunkte und der Dauer der Auseinandersetzung wäre nach dem 12.3.2013 frühestens nach drei Monaten von einer Beendigung der Hemmung durch "Einschlafenlassen" der Verhandlungen auszugehen (BGH, Urt. v. 6.11.2008 – IX ZR 158/07), mithin nicht vor dem 12.6.2013. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob wegen der von der Antragstellerin außerdem vorgetragenen Ankündigung des Mitarbeiters K. der Antragsgegnerin vom 10.4.2013, für 6 Monate ins Ausland zu gehen, sogar ein noch späterer Zeitpunkt für das Ende der Hemmung anzunehmen wäre. Denn bereits dann, wenn die Zeit vom 26.6.2012 bis 12.6.2013 (11 Monate und 17 Tage) bei der Berechnung der Verjährungsfrist unberücksichtigt bleibt (§ 209 BGB), wäre die Einreichung des Kostenfestsetzun...

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