Leitsatz
Sind zwischen den Parteien mehrere Verfahren anhängig und schließen sie in einem der Verfahren einen Vergleich, mit dem sämtliche Verfahren erledigt werden, so entsteht nur eine Einigungsgebühr aus dem Gesamtwert, auch wenn ein förmlicher Verbindungsbeschluss nicht ergangen ist. Lediglich die Verfahrens- und Terminsgebühren sind in diesem Fall gesondert abzurechnen.
OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.8.2016 – 13 OA 130/16
1 Aus den Gründen
Die nach §§ 165, 151 VwGO i.V.m. §§ 146 Abs. 1 und 3, 147 VwGO zulässige Beschwerde des Antragsgegners v. 16.6.2016, über die der Senat in der Besetzung mit drei Richtern entscheidet (vgl. Senatsbeschl. v. 10.2.2014 – 13 OA 27/14, S. 2 des Beschlussabdrucks; 2. Senat des Nds. OVG, Beschl. v. 11.6.2007 – 2 OA 433/07, juris Rn 3), ist begründet.
Das VG hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag des Antragsgegners auf Entscheidung des Gerichts i.S.d. §§ 165, 151 VwGO (die "Kostenerinnerung") hinsichtlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (§ 164 VwGO) zu Unrecht vollumfänglich zurückgewiesen. Denn die letztgenannte Entscheidung ist in der Sache im mit der Beschwerde gerügten Umfang zu beanstanden.
Mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss war auf Anträge der Antragstellerin hin für die beim VG anhängig gewesenen und vergleichsweise beendeten Eilverfahren 6 B 131/15 bis 6 B 141/15 (Veranlagungsjahr 2010 Monate Februar bis Dezember) ein Gesamtbetrag von dem Antragsgegner an die Antragstellerin zu erstattender außergerichtlicher Kosten nach § 162 Abs. 1 u. 2 VwGO i.H.v. 24.641,40 EUR festgesetzt worden, der sich bezogen auf jedes Eilverfahren aus Verfahrensgebühren, Einigungsgebühren und Telekommunikationspauschalen ohne Umsatzsteuer zusammensetzte. Dabei wurden für jedes Eilverfahren nach dem jeweiligen Einzelstreitwert i.d.F. der Streitwertbeschwerdeentscheidungen des Senats v. 8.4.2016 (Verfahren 13 OA 55/16 bis 13 OA 65/16) getrennte Einigungsgebühren mit einem Satz von 1,0 nach Nrn. 1000, 1003 VV) angesetzt.
Diese Kostenfestsetzung hält der Antragsgegner mit seiner – nur auf die Einigungsgebühr bezogenen – Beschwerde zu Recht im Umfang von 7.765,00 EUR für überhöht. Hier war eine einheitliche 1,0-Einigungsgebühr nach Nrn. 1000 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 4, 1003 VV auf der Basis der summierten Einzelgegenstandswerte (maßgeblich hierfür: Einzelstreitwerte, vgl. § 32 Abs. 1 RVG) der Verfahren 6 B 131/15 bis 6 B 141/15 als faktischen "Gesamtvergleichswerts" von 382.498,00 EUR (2.853 EUR) festzusetzen. Dies hatte in dem Verfahren 6 B 131/15 zu erfolgen. Hingegen durfte nicht – wie aber im Kostenfestsetzungsbeschluss geschehen – die Summe der Einigungsgebühren, die jeweils aus den Einzelgegenstandswerten (Einzelstreitwerten) der Verfahren 6 B 131/15 bis 6 B 141/15 folgten (10.618,00 EUR), festgesetzt werden. Soweit es die getrennt für die genannten Verfahren festgesetzten 1,3-Verfahrensgebühren sowie Telekommunikationspauschalen angeht, sind die darauf bezogenen Festsetzungen nicht mit der Beschwerde angegriffen worden und im Übrigen auch rechtmäßig ergangen. Aus alledem resultiert eine zutreffende Kostenfestsetzungshöhe von 24.641,40 ./. 7.765,00 = 16.876,40 EUR. Insoweit waren die Beschlüsse des VG zu ändern bzw. neu zu fassen.
Ungeachtet des Umstandes, dass eine rechtskräftige Festsetzung des Gesamt-Gegenstandswertes 382.498,00 EUR für das Stadium des Vergleichs (nach § 33 Abs. 1 RVG oder als gestaffelter Streitwert nach § 32 Abs. 1 RVG i.V.m. § 63 Abs. 2 S. 1 GKG) nicht getroffen worden ist, folgt aus dem Gesetz, dass bei der Bemessung der Einigungsgebühr von der Summe der Einzel-Gegenstandswerte auszugehen war.
Zwar lag in diesem Stadium nicht nur noch ein Verfahren (6 B 131/15) vor, welches die Gegenstände aller zehn anderen, ursprünglich selbstständigen Verfahren umfasst hätte. Denn dies hätte vorausgesetzt, dass die Verfahren 6 B 132/15 bis 6 B 141/15 zu dem "führenden" Verfahren 6 B 131/15 zu gemeinsamer Entscheidung hinzuverbunden worden wären, und ein hierfür erforderlicher förmlicher Verbindungsbeschluss i.S.d. § 93 S. 1 VwGO ist gerade nicht ergangen.
Ohne Rücksicht auf die mithin fortbestehende prozessuale Selbstständigkeit aller elf Verfahren liegt jedoch eine Konstellation vor, die die Festsetzung einer – insgesamt um 7.765,00 EUR geringeren – 1,0-Einigungsgebühr auf der Basis eines einheitlichen Gesamt-Gegenstandswertes gebietet. Es handelt sich dabei um das vom Antragsgegner an einem Beispiel veranschaulichte "Mitvergleichen" von Gegenständen weiterer, bereits anhängiger Verfahren anlässlich der vergleichsweisen Beilegung eines Verfahrens (vgl. dazu Bischof, in: ders./Jungbauer u.a., RVG, 6. Aufl., 2014, Nr. 1003 VV Rn 31 f.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 29.4.2008 – 1 O 38/08, juris Rn 4; OLG Köln, Beschl. v. 29.11.1972 – 2 W 105/72, MDR 1973, 324; Hartmann, KostG, 46. Aufl., 2016, RVG Nr. 1000 VV Rn 66).
Der Senat deutet den objektiven Inhalt des – einheitlichen – Vergleichsbeschlusses nach § 106 S. 2 VwGO aufgrund gebotener sachgerechter Auslegung ...