Die Erinnerung ist zulässig. Die gem. § 55 Abs. 1 S. 1 RVG erfolgte Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung kann im Wege der Erinnerung gem. § 56 Abs. 1 S. 1 RVG überprüft werden. Über die Erinnerung entscheidet das Gericht des Rechtszuges, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Diese Ersterinnerung ist weder an eine Form noch an eine Frist gebunden, § 56 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 7 S. 1 RVG u. i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG e contrario. Diese Vorschriften sind insofern lex specialis zu § 197 Abs. 2 SGG, der die Kostenfestsetzung allein im Verhältnis der Beteiligten zueinander betrifft, nicht aber das Verhältnis zwischen dem Prozessbevollmächtigten und der Staatskasse über die Höhe der im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe von der Staatskasse zu gewährenden Gebühren und Auslagen.

Die Erinnerung ist auch begründet.

Gem. § 3 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anzuwenden ist, für die anwaltliche Tätigkeit Rahmengebühren. Diese Rahmengebühren bestimmt der Anwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen, § 14 Abs. 1 S. 1 RVG. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung gem. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Entspricht die Bestimmung der Rahmengebühr durch den Rechtsanwalt nicht der Billigkeit, ist sie richterlich zu korrigieren (LSG NRW, Beschl. v. 16.8.2006 – L 10 B 7/06 SB). Dabei sind die vom Gesetzgeber vorgegebenen festen Anhaltspunkte (Mindest-, Mittel- und Höchstgebühr) sowie der in Rspr. und Lit. akzeptierte Toleranzrahmen von bis zu 20 % zu berücksichtigen, dementsprechend ist die Gebühr erst bei Überschreiten einer Toleranzgrenze von 20 % als unbillig zu qualifizieren (BSG, Urt v. 1.7.2009 – B 4 AS 21/09 R [= AGS 2010, 233]; LSG NRW, a.a.O.). Unbilligkeit liegt somit vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet; dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren (vgl. Thüringer LSG, Beschl. v. 6.11.2014 – L 6 SF 1022/14 B; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschl. v. 15.1.2014 – L 5 SF 12/13 E).

Streitig ist vorliegend lediglich das Entstehen der fiktiven Terminsgebühr (dazu 1.) und die Anrechnung der Gebühr nach Nr. 2302 VV von 75,00 EUR im Rahmen des § 15a RVG im Rahmen des Kostenfestsetzungsantrags gegenüber der Erinnerungsgegnerin.

1. Die fiktive Terminsgebühr ist entstanden.

Gem. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV entsteht die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Nach Nr. 3106 S. 2 VV entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird (Nr. 1), nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann (Nr. 2) oder das Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (Nr. 3). Für die Entstehung einer Terminsgebühr nach Nr. 3205 VV gilt S. 1 Nr. 1 und Nr. 3 der Anm. zu Nr. 3106 VV entsprechend.

Im vorliegenden Fall endete das Klageverfahren, ohne dass zuvor eine mündliche Verhandlung stattgefunden hatte. Die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen durch den Erinnerungsführer wurde weder vorgetragen, noch ist sie ersichtlich. Für die Entstehung der Terminsgebühr ist hier daher allein eine Prüfung der Nr. 3205 VV i.V.m. Nr. 3106 S. 2 VV maßgeblich. Von den dort genannten drei Varianten kommt lediglich Nr. 3106 S. 2 Nr. 1 2. Alt. VV in Betracht, da weder eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erfolgt ist noch das Verfahren durch angenommenes Anerkenntnis endete.

Voraussetzung für die Entstehung der Terminsgebühr ist damit, dass ein "schriftlicher Vergleich" geschlossen worden ist.

Der Begriff des "schriftlichen Vergleichs" wird in Rspr. und Lit. unterschiedlich verstanden.

Nach einer Ansicht ist ein privatschriftlicher (außergerichtlicher) Vergleich ausreichend (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 14.3.2018 – L 13 SB 1/17 B [= AGS 2018, 172]; SG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 15.3.2017 – S 1 R 535/13 [= AGS 2017, 220]; Müller- Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., 2017, VV 3104 Rn 69; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, a.a.O., § 3 Rn 64a).

Nach der überwiegenden Rspr. ist ein "schriftlicher Vergleich" nur ein unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossener Verg...

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