ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 118 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Es ist nicht als mutwillig anzusehen, wenn der Antragsgegner im Verfahren auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zum Antrag keine Stellung nimmt und erst nach Bewilligung für den Antragsteller eine Erwiderung einreicht und im Hinblick darauf nunmehr selbst Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für seine Rechtsverteidigung beantragt.
OLG Koblenz, Beschl. v. 22.8.2019 – 7 WF 706/19
1 Aus den Gründen
Die in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende sofortige Beschwerde führt zu einem zumindest vorläufigen Erfolg. Das AG hätte die beantragte Verfahrenskostenhilfe nicht aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung – Mutwilligkeit – versagen dürfen.
Entgegen der vom AG vertretenen Rechtsauffassung ist das Verhalten der Antragsgegnerin, sich nicht zur Antragsschrift zu äußern, nicht mutwillig und rechtfertigt mithin nicht die Zurückweisung des Verfahrenskostenantrages.
Dem AG ist allerdings zuzugestehen, dass die vom ihm vertretene Rechtsauffassung zum Teil in der obergerichtlichen Rspr. vertreten wird. Die wohl überwiegend in Rspr. und Lit. vertretene Rechtsauffassung, der sich der Senat angeschlossen hat, vertritt demgegenüber jedoch die gegenteilige Auffassung (vgl. zum Meinungsstand OLG Hamm, FamRZ 2014, 1475 f.; Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 114 ZPO, Rn 34a, jeweils m.w.N.). Der Senat teilt die vom OLG Hamm vertretene Rechtsauffassung (FamRZ 2014, 1475 f.), dass es im Verfahrenskostenhilfeverfahren ebenso wenig eine verfahrensrechtliche Verpflichtung des Antragsgegners zur Stellungnahme zu einem aus seiner Sicht unbegründeten Antrag gibt wie im vorgerichtlichen Verfahren. Die Vorschrift des § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO ordnet vielmehr allein aus verfassungsrechtlichen Gründen (Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs) an, dass auch im Verfahrenskostenhilfeverfahren dem Gegner bereits Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Ebenso kann im Verfahrenskostenhilfeverfahren keine Kostenentscheidung zugunsten des Antragsgegners ergehen.
Soweit das Gericht in dem angefochtenen Beschluss darauf abstellt, dass andernfalls dem Antragsteller keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden wäre, besteht durchaus die Möglichkeit, die dem Antragsteller bewilligte Verfahrenskostenhilfe aufzuheben, da dieser das zugrundeliegende Streitverhältnis nicht vollständig und richtig dargelegt hat (§ 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Zudem kann der Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe zum gegenwärtigen Zeitpunkt wegen Mutwilligkeit bereits deshalb nicht versagt werden, weil der Antragsteller bislang seinen Antrag weder zurückgenommen noch die Sache für erledigt erklärt hat. Daran ändert auch im Beschwerdeverfahren abgegebene Erklärung nichts (mehr).
Da das AG die sonstigen Voraussetzungen der Verfahrenskostenhilfebewilligung, insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse, noch nicht abschließend geprüft hat – insoweit fehlt es bislang offensichtlich auch noch an der Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse -, war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zur Prüfung der Bedürftigkeit und erneuten Bescheidung des Antrages zurückzuverweisen.
2 Hinweis der Schriftleitung
Siehe hierzu den Beitrag in AGkompakt (als Beilage zu diesem Heft).
Rechtsanwalt Norbert Schneider
AGS 12/2019, S. 574